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Der Euro oder der Dollar - wer steht nun schlechter da?

Foto: AP/Meissner

Er repräsentiert Banken, Versicherungen und Hedgefonds, also jene, die auf den richtig großen Geldbergen sitzen: Der Amerikaner Charles H. Dallara ist Geschäftsführer des Institute of International Finance (IIF), eines globalen Bankenverbands mit mehr als 400 Mitgliedern. Der Bankenlobbyist warnt nun in der Online-Ausgabe der "Financial Times Deutschland" die USA vor spekulativen Attacken auf ihre Staatsschulden: "Die USA bekommen mittelfristig Fiskalprobleme. Wenn das nach der Präsidentenwahl nicht angegangen wird, werden die Märkte ihr Augenmerk darauf richten", sagte Dallara demnach auf einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Bundesbank.

Aufruf zur Eile

Mit dieser Mahnung steht der Mann nicht alleine da. 2009 sagte etwa der Chef der chinesischen Notenbank, Zhou Xiaochuan, nur wenige Monate nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers das Ende des US-Dollars als Leitwährung voraus. Aus dem Mund eines Amerikaners entbehrt die Warnung dennoch nicht einer gewissen Pikanterie. Denn laut vernehmbar sind derzeit vor allem zahlreiche Zwischenrufe aus den USA: Europa möge zügig die Eurokrise bewältigen, die Weltwirtschaft sei andernfalls ernsthaft in Gefahr, mahnte jüngst einmal mehr der wahlkämpfende US-Präsident Barack Obama.

Ende der US-Währung am Horizont

Auch zwischen den Buchdeckeln sind Währungsräume und Währungen derzeit ein beliebtes Thema. Der Abgesang auf Europas Währung wird in zahlreichen Variationen angestimmt. Der Dollar und die Probleme der USA sind etwas aus dem Fokus verschwunden. Allerdings nicht ganz: Die Schweizer Währungsexpertin Myret Zaki sieht in ihrem nicht ganz taufrischen Werk "Dollardämmerung" das Ende der US-Währung am Horizont. Sie zeichnet ein Szenario "von der Leitwährung zur größten Spekulationsblase der Geschichte".

Für Zaki ist eines klar: "Die US-Wirtschaft ist technisch bankrott." Der Greenback - so nennen die Amerikaner ihre Währung wegen ihrer Farbe - sei auch dank der in den letzten Jahren von der US-Notenbank (Fed) gedruckten Riesenmenge an Dollarscheinen zur größten Spekulationsblase der Geschichte geworden, der Crash nur noch eine Frage der Zeit. "Die größte Volkswirtschaft der Welt ist eine große Illusion. Um 14.000 Milliarden Dollar Volkseinkommen zu generieren, erwirtschafteten die USA mehr als 50.000 Milliarden Gesamtschulden, deren Verzinsung allein jährlich 4.000 Milliarden Dollar kostet." Jene, die solche Hinweise mit der Bemerkung vom Tisch wischen, dass man den Tod des Dollars schon seit Jahren voraussage und es ihm noch immer hervorragend gehe, "irren sich", so die Journalistin. "Sie vergessen, dass der Dollar seit 1913 ständig abgewertet wurde und 97 Prozent an Wert verlor."

Vertrauen der Investoren

Tatsächlich bemisst sich der Wert des Greenback seit der Aufhebung der Dollar-Goldbindung im Jahr 1971 allein am Vertrauen der Investoren. Vertrauen darauf, dass die USA als mächtigste Volkswirtschaft der Welt auch künftig kräftig wachsen und ihre Verbindlichkeiten tilgen werden. Gewachsen sei in den vergangenen Jahren allerdings vor allem der gigantische amerikanische Schuldenberg. Um die Wirtschaft zu stützen, hat die Fed während der Finanzkrise außerdem die Leitzinsen gesenkt und damit begonnen, eigene Staatsanleihen aufzukaufen. Fed-Chef Ben Bernanke druckt also frisches Geld, um die Krise zu lindern. Aber jeder Dollar, der aus der Druckerpresse kommt, schmälert tendenziell den Wert der grünen Geldscheine, die bereits im Umlauf sind. Und damit das Vertrauen der Investoren.

Die Angriffe auf den Euro seien lediglich ein Schutzschild zur Verdeckung des Bankrotts der US-Wirtschaft, so Zaki, die nach eigenen Angaben bei der Recherche für ihr Buch auf wenig Sympathie für ihre These stieß. "Es war ein Kraftakt, sich gegen die Vernebelungstaktik des Schlagworts 'Eurokrise' und die allgemeine Verleugnung der gravierenden Probleme der USA durchzusetzen." Die typische Antwort der Gesprächspartner bestand in einem langen Schweigen und einem gedankenverlorenem Blick, gefolgt von dem Ratschlag: "Sie sollten über den Tod des Euros ein Buch schreiben." Mehr als ein Gesprächspartner habe ihr nach dem Hinweis auf die sagenhaften Selbstheilungskräfte der USA gesagt: "Was auch immer geschehen mag, wir müssen die USA unterstützen. Das ist immer noch besser als eine Kontrolle durch die Chinesen." Die Vereinigten Staaten, so ihr Schluss, profitierten von einem Vertrauensvorschuss, dem die ökonomische Realität nicht standhalten würde.

Spiel auf Zeit

Ein Spiel auf Zeit also, das nun auch Banken-Kapazunder Dallara so beschreibt. Auch er begründet die relative Ruhe für die US-Staatsanleihen und den Dollar mit der Unruhe in Europa. "Die Märkte haben uns in den USA eine Pause gegeben. Aber wir wissen, dass die begrenzt ist. Derzeit hauen sie auf Spanien drauf. Aber sie laufen von Stimmung zu Stimmung. Das Thema Staatsschulden wird über den Atlantik schwappen - eher früher als später." Dabei könnten die Attacken plötzlich und scharf kommen. "In den USA gibt es den Ausspruch 'zu wenig, zu spät'. Die Märkte reagieren derzeit 'zu spät und zu harsch'."

So gesehen wären die Zurufe aus den USA fast schon unter ferner liefen abzuqualifizieren. Eines haben die USA allerdings den Europäern weit voraus, nämlich den Umgang mit den maroden Banken. Seit Ausbruch der Krise - die, wie José Barroso jüngst süffisant anmerkte und damit US-Präsident Barack Obama vergraulte, doch eigentlich von den USA ausgelöst worden sei - sind im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" 300 Banken Pleite gegangen. Auch Europa will Bankenpleiten beherrschbar machen, nachdem von Oktober 2008 bis Oktober 2011 insgesamt 4.500 Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen für krachende Kreditinstitute bereitgestellt wurden. Die EU-Kommission legte heuer einen lang erwarteten Gesetzentwurf zur Bewältigung von Bankenkrisen vor. Das Gesetz soll nach Verabschiedung durch die EU-Staaten und das Europäische Parlament allerdings erst 2015 in Kraft treten. (Regina Bruckner, derStandard.at, 26.6.2012)