Standard: Wieso ist Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou nicht hier?
Rüdiger Maresch: Weil es gerade eine Stadtregierungssitzung gibt.
Standard: Uns wurde gesagt, sie gibt vorerst keine Interviews.
Maresch: Es gibt eine Sitzung, und ich habe mich darum gerissen, mit Herrn Juraczka zu diskutieren.
Manfred Juraczka: Von einer Stadtregierungssitzung müsste ich wissen. Die Vizebürgermeisterin sucht beim Parkpickerl ungern die Diskussion.
Maresch: Sie haben in Wirklichkeit ein Profilierungsproblem und möchten sich an der Vizebürgermeisterin abarbeiten.
Standard: Warum will die VP Niederösterreich das Gratisparkpickerl für Pendler?
Juraczka: Täglich pendeln 300.000 Menschen nach Wien. Wir haben gerade einmal 9000 P&R-Plätze.
Maresch: Einen P&R-Platz zu bauen kostet oberirdisch 15.000 Euro, Tiefgarage 22.000. In zehn Jahren sind 100.000 Pendler dazugekommen - das macht 1,5 Milliarden Euro. Das Geld hat niemand.
Standard: Warum gibt es keine attraktiveren Angebote für Pendler?
Maresch: Man zahlt drei Euro am Tag in einer P&R-Anlage. Wir haben NÖ vorgeschlagen, bei der Errichtung zuzuzahlen. NÖ hat das abgelehnt. Wir wollten die Kernzone ausdehnen - das hat der VOR abgelehnt.
Juraczka: Die Pendler sind Menschen, die in Wien arbeiten. Wir werden ihnen Mobilität liefern müssen.
Maresch: Das Problem ist nur: Woher kommt das Geld? Sie sind gegen das Parkpickerl. Erklären Sie mir bitte, wie Sie den Verkehr reduzieren wollen.
Juraczka: Herr Kollege, Politik hat schon etwas mit Realität zu tun.
Maresch: Ja genau, das schreiben Sie sich bitte ins Stammbuch.
Juraczka: Ich will auch keine Stadt, die täglich im Stau erstickt. Vernünftige Parkraumbewirtschaftung ist okay. Im Plan von Vassilakou war die Ausdehnung für ganz Wien vorgesehen. Da haben sich vor allem viele rote Bezirke schnell verabschiedet.
Standard: Hätte das im Koalitionsabkommen konkreter sein müssen?
Maresch: Es war immer die Rede davon, dass die Westbezirke das Parkpickerl brauchen. Im 18. Bezirk ...
Juraczka: Das stört Sie offensichtlich, dass dort die Menschen entscheiden durften.
Maresch: Dort hat der Bezirksvorsteher entscheiden lassen.
Juraczka: Der hat entschieden, dass es eine Umfrage gibt. Warum sind die Grünen gegen weiteren U-Bahn-Ausbau?
Maresch: Warum sind die ÖVPler komplett gegen jegliche Reduktion des Autoverkehrs? Wie viel kostet ein Kilometer U-Bahn?
Juraczka: Eine U-Bahn ist eine Investition in die Zukunft.
Maresch: Eine Straßenbahn nicht?
Juraczka: Ich hab ja nichts gegen Straßenbahnen.
Maresch: Ein Kilometer U-Bahn kostet zwischen 50 und 200 Millionen Euro, Tram etwa zehn.
Standard: Hat die Stadtregierung schlecht kommuniziert?
Maresch: Man kann immer besser kommunizieren. Es läuft eine Infokampagne.
Juraczka: Geben Sie doch zu, dass Sie die Leute mit Ihrem Verkehrskonzept nicht begeistern können.
Maresch: Im Standard sagte die CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt in Ihre Richtung, eine Volksbefragung sei ein Kasperltheater.
Juraczka: Sie finden, die Unterschriften sind ein Kasperltheater?
Maresch: Das hat Ihre Parteikollegin aus Frankfurt gesagt. Es gibt die Unterschriften, damit müssen wir uns beschäftigen.
Juraczka: Ich habe mich immer zu einem Parkraummanagement bekannt. Nur, was jetzt geplant ist, ist eine Pfuschaktion.
Standard: Schließen Sie sich der FPÖ-Forderung an, dass Parken für Wiener gar nichts kosten soll?
Juraczka: Nein, das lehne ich ab. Das bringt keinen Lenkungseffekt.
Standard: Ist es nicht undemokratisch, die Beschlüsse aus den Bezirken nicht anzuerkennen?
Juraczka: Innerhalb der Grünen wird diskutiert, dass Menschen einen Regierungsbeschluss overrulen können.
Maresch: Beim ESM will die ÖVP die Bürger nicht befragen.
Juraczka: Ich finde es amüsant, dass gerade die Grünen in der Regierung große Fans der repräsentativen Demokratie wurden und direkte Demokratie für sehr problematisch erachten.
Maresch: Und ich wundere mich sehr über Ihren Zickzackkurs bei der direkten Demokratie.
Juraczka: Na, dann wundern wir uns beide.
Standard: Wird Parken für manche eine finanzielle Belastung?
Maresch: Wir reden von 60 Cent am Tag. Das Geld aus der Parkraumbewirtschaftung wird verwendet für den Öffi-Ausbau, Fahrradwege und den Garagenbau.
Juraczka: Will Rot-Grün das Parkpickerl, weil die Stadt das Geld braucht oder weil sie einen Lenkungseffekt erzielen will?
Maresch: Wir wollen an der Oberfläche Platz und Lebensqualität schaffen. Wir müssen hohe Strafen zahlen, wenn wir den Feinstaub nicht glaubhaft reduzieren.
Standard: Einmal heißt es, die SPÖ erwägt eine eigene Befragung, dann doch nicht. Weiß der Koalitionspartner nicht, was er will?
Maresch: Das muss die SPÖ entscheiden. Nach Ansicht unserer Juristen ist die Frage zur Parkraumbewirtschaftung nicht stadtverfassungskonform.
Standard: Hat die VP überhaupt noch ein anderes Thema?
Juraczka: Eine ganze Menge: die Budgetpolitik der Stadt, die Standortpolitik, Integration.
Maresch: Das muss ich jetzt nicht kommentieren, oder?
Standard: Wo ist denn der große grüne Wurf geblieben?
Maresch: Wir sind auf einem guten Weg. Wien ist die zweite europäische Stadt, in der die Öffi-Tarife gesenkt wurden.
Juraczka: Mit 365 Euro seid ihr weit weg vom Wahlversprechen. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 25.6.2012)