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Abgesperrt. - Die Krypta im Zeichen einer Aktion der Grünen für die sofortige Schließung der Gedenkstätte. Aber ist das sinnvoll?

Foto: ap/Punz

Betritt man die Krypta, den Gedenkraum für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs im rechten Flügel des Äußeren Burgtors, so wird einem der Bruch mit dem bisherigen Gedenken an diesem Ort unmittelbar vor Augen geführt. Vor einigen Tagen wurden alle Objekte der militärischen Traditionspflege entfernt. Wo sich bislang Gedenktafeln, Standarten, Kranzschleifen, Ehrenzeichen und die Totenbücher für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs befanden, sind leere Wände und Vitrinen zu sehen.

Damit wird die Krypta nun zum Symbol für einen tiefgreifenden Veränderungsprozess in der Erinnerungskultur des Bundesheeres, der bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist: Die Benennung eines Hofes in der Rossauer Kaserne nach Carl Szokoll, einem Vertreter des militärischen Widerstandes, im Jahr 2005, die Umwandlung des aus der Zeit des NS-Regimes stammenden Wandgemäldes in ein Mahnmal in der Klagenfurter Khevenhüller-Kaserne, die 2009 erfolgte Entscheidung des Verteidigungsministers, die Teilnahme des Bundesheeres am umstrittenen Ulrichbergtreffen zu beenden - das sind nur einige der öffentlich bekanntesten Initiativen, viele weitere lokale Gedenkaktivitäten wären zu nennen.

Dass die Krypta zu einem Brennpunkt der Debatten um das Gefallenengedenken geworden ist, ist paradoxerweise dem jährlichen Totengedenken deutschnationaler bzw. rechtsextremer Burschenschaften am 8. Mai zu verdanken. Mit den Protesten gegen eine Gedenkfeier, in der die Niederlage Hitlerdeutschlands betrauert wird, geriet auch das " Österreichische Heldendenkmal" (so die offizielle Bezeichnung) selbst zunehmend in Kritik.

Vor wenigen Monaten wurde öffentlich bekannt, dass der Bildhauer Wilhelm Frass, seit 1933 illegaler Nationalsozialist und Schöpfer der Skulptur des Unbekannten Soldaten, sich 1938 im "Völkischen Beobachter" gerühmt hatte, im Sockel der liegenden Kriegerfigur eine Kapsel mit NS-Parolen verborgen zu haben. Aber ungeachtet ob diese Kapsel wirklich existiert - das wird derzeit gerade von Experten des Bundesdenkmalamtes untersucht - oder ob sich Frass mit dieser Behauptung nur bei den neuen Machthabern anbiedern wollte: Im Heldendenkmal kommen geradezu exemplarisch die Widersprüche und Ambivalenzen des österreichischen Gedächtnisses zum Ausdruck.

Die Pläne für ein zentrales staatsoffizielles Denkmal wurden in der demokratischen Phase der Ersten Republik entwickelt, realisiert wurde das Heldendenkmal erst in der Ständestaatdiktatur, die das Totengedenken für die als Angehörige der k. u. k. Armee Gefallenen entsprechend ihrer Geschichtspolitik in die "glorreiche" Tradition der Habsburgermonarchie stellte. Nach 1945 wurden die Soldaten der Deutschen Wehrmacht durch die Hinzufügung der Jahreszahlen 1939-1945 in das Heldengedenken einbezogen. 1965 wurde schließlich im linken Flügel des Burgtores der Weiheraum zum " Gedenken an die Opfer im Kampfe für Österreichs Freiheit" (so die Inschrift) eingerichtet.

Die Koexistenz dieser beiden Gedenkstätten bringt die ambivalente Haltung Nachkriegsösterreichs zur NS-Vergangenheit auf den Punkt: Im linken Flügel des Burgtores werden jene Menschen geehrt, die Opfer einer Gewaltherrschaft wurden, die von den Soldaten, die im rechten Flügel geehrt werden, mit aufrechterhalten und verteidigt wurde.

Dieser Widerspruch wurde jahrzehntelang kaum thematisiert. Das Heldendenkmal lag im Dornröschenschlaf, der nur am Nationalfeiertag durch die jährliche Kranzniederlegung von Bundespräsident und Bundesregierung an den beiden Gedenkstätten (und einige weitere Gedenkakte) regelmäßig unterbrochen wurde.

Das Gedenken neu definieren

Heute steht die Frage, wie mit beiden Orten angemessen umgegangen werden soll, im Zentrum der Diskussion. Angesichts der Instrumentalisierung der Krypta für Totengedenkfeiern, die im Widerspruch zu den Grundwerten der politischen Kultur Österreichs stehen, ist die jüngst erhobene Forderung nach einer Schließung verständlich. Damit würde aber auch die öffentliche Diskussion vorzeitig abgebrochen. Nur wenn die Krypta zugänglich bleibt, kann sie weiterhin als Stein des Anstoßes für die Frage nach einer Neudefinition des Gefallenengedenkens fungieren.

Dabei gilt es nicht nur, den Burschenschaften die Bühne für provokante Totenehrungen zu entziehen. Vor allem gilt es, das Gedenken an die gefallenen Wehrmachtssoldaten aus den Sinngebungen der Nachkriegszeit herauszulösen, die nach wie vor auf unzähligen Kriegerdenkmälern nachzulesen sind: die Ehrung der "Helden", die 1939-1945 die "Heimat" verteidigt haben.

Dieser Mythos ist nach wie vor präsent, ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei der "Heimat" um Nazideutschland gehandelt hat und dass die Wehrmacht in einer aggressiven militärische Expansionspolitik weite Teile Europas okkupierte, einen Vernichtungskrieg in Osteuropa führte und so maßgeblich an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas mitbeteiligt war.

Die leere Krypta, die Entfernung aller Objekte, die einer "falschen Trauer" Vorschub leisten könnten, ist auch Ausdruck einer mittlerweile gewachsenen Sensibilität für die Problematik des Gefallenengedenkens innerhalb des Bundesheeres.

Hier zeichnet sich ein neues Selbstverständnis ab, das sich an den Herausforderungen einer transnationalen, an der Gewährleistung der Menschenrechte orientierten Verteidigungs- und Sicherheitspolitik orientiert.

Insofern eröffnet die Neugestaltung des Heldendenkmals ein Window of Opportunity für die Formulierung einer militärischen Gedenktradition, die das Gefallenengedenken in neuer Form in den gesellschaftlichen Konsens über den Umgang mit der NS-Vergangenheit zu integrieren vermag. (Heidemarie Uhl, DER STANDARD, 23.6.2012)