Bild nicht mehr verfügbar.

Der Intendant der Salzburger Festspiele, Alexander Pereira, übers Budget: "Es gibt keine Knautschzone mehr."

Foto: Kerstin Joensson/dapd

Den Beginn seiner ersten Saison überschattete er mit Rücktrittsdrohungen.

STANDARD: Zurzeit findet die Fußballeuropameisterschaft statt. Welche Position im Spielfeld hätten Sie? Stürmer?

Alexander Pereira: Nein, ich war mein Leben lang Tormann und habe meine Abwehr organisiert. Von hinten.

STANDARD: Wer ist in Salzburg Ihre Abwehr?

Pereira: Ich bin meine eigene Abwehr (lacht). Nein, ich habe eine sehr erfahrene, sehr motivierte und begeisterte Mannschaft. Wir sind ein gutes Team.

STANDARD: Wie ist der Spielstand im Match mit den Kuratoren?

Pereira: Es gab dieser Tage ein sehr konstruktives Gespräch mit Bürgermeister Heinz Schaden und LH-Stv. Dr. Haslauer, dem Kuratoriumsvorsitzenden. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns annähern. Der Nichtausgleich der Tariflohnerhöhung geht ja nicht nur den Salzburger Festspielen, sondern allen Bundestheatern an die Substanz. Es gibt keine Knautschzone mehr! Ich empfinde es als ungerecht, dass der Staat seinen Beamten automatisch Lohnerhöhungen zahlt, nur den Theaterleuten nicht. Sind das Menschen zweiter Klasse?

STANDARD: Dass man in Krisen- und Sparzeiten auch in der Kultur sparen will, verstehen Sie nicht?

Pereira: Es herrscht die fälschliche Meinung, im Kulturleben gäbe es immer Überfluss. Wir haben dieses Jahr ein Budget von 56 Millionen Euro, aber nur 13,5 Millionen davon kommen von der öffentlichen Hand. Wenn man über die letzten zwölf Jahre nur zwei Mal Tariflohnerhöhungen ausgleicht, höhlt man eine Institution Zug um Zug aus. Wir haben unseren Sparbetrag seit zehn Jahren geleistet.

STANDARD: Ist Ihre Rücktrittsdrohung aufrecht?

Pereira: Das war vielleicht überspitzt formuliert. Aber man muss mir schon so viel Bewegungsfreiheit lassen, dass ich ein ausgeglichenes Ergebnis bringen kann. Würde ich Verluste machen, würde man mich ja spätestens dann prügeln. Das möchte ich nicht.

STANDARD: Die Rücktrittserklärung von der Rücktrittserklärung?

Pereira: Nein. Es ist eine Präzisierung dessen, was ich gemeint habe. Diese Grundsatzdiskussion ist mir todernst. Unser Verwaltungsdirektor Stefan Mehrens hat eine sehr interessante Rechnung gemacht und die Budgets 2011, '12 und '13 verglichen. Er hat angenommen, dass wir die Saison von 2011 mit allen Opern, Konzerten, dem Schauspiel exakt und ohne jede Erweiterung nach 2013 kopiert hätten. Wohin, schätzen Sie, hätten sich die Fixkosten entwickelt?

STANDARD: Keine Ahnung. Sagen Sie's mir?

Pereira: Es würde um 4,75 Millionen Euro mehr kosten!

STANDARD: Warum?

Pereira: Tariflohnerhöhungen, Sachkostenteurungen, Auflagen des Rechnungshofes, EDV-Investitionen. Was können wir also machen? Subventionserhöhung? Antwort: Nein! Kartenpreiserhöhung um zwanzig Prozent? Antwort: Nein! Sponsorgeld? Antwort: Ja! Sponsorgeld: Wie? Kann ich einen Sponsor bitten, mir eine Million zu geben, damit ich meine Fixkostensteigerung abdecken kann? Antwort: Nein! Man muss ein Konzept entwickeln, Aktivitäten setzen, um mehr Karten verkaufen, höhere Erlöse erzielen und Sponsoren akquirieren zu können. All das mache ich, aber es gelingt nur eine begrenzte Zeit. Man kann ja die Festspiele nicht beliebig ausweiten. Sonst müsste ich ein neues Festspielhaus bauen, was ich, um Gerüchten vorzubeugen, nicht will! Wenn der Staat die Tariflohnerhöhungen nicht abdeckt, fangen wir demnächst wieder bei null an.

STANDARD: Ist Ihnen unangenehm, unentwegt übers Geld reden zu müssen?

Pereira: Man hat mich oft in eine Geldecke gestellt und den Anteil des Künstlerischen dieses Berufes in Bezug auf meine Person bagatellisiert. Aber diejenigen, die das beurteilen können, nämlich die Künstler, die wissen schon, dass sie in mir auch im Künstlerischen einen Partner haben.

STANDARD: Täuscht der Eindruck, dass Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler sehr in den Hintergrund gerückt ist, etwa auch bei den Verhandlungen über Fernsehübertragungen?

Pereira: Der Eindruck mag entstehen, stimmt aber nicht. Übertragungsrechte zu verhandeln ist Intendantensache. Ich habe aus Zürich gute Kontakte. Und auch das Programm ist Intendanten- und Direktoren-, nicht Präsidentinnensache.

STANDARD: Und beim Sponsoring?

Pereira: Das ist Präsidentinnensache. Jeder nutzt seine Kontakte im Dienst der Sache, da sind wir in keiner Weise eifersüchtig aufeinander. Wir stacheln uns gegenseitig an! Erst unlängst hatte ich einen Mäzen, der mir 900.000 Euro gab; Frau Dr. Helga Rabl-Stadler kam am selben Tag ebenfalls mit 900.000 Euro aus London zurück.

STANDARD: Was entgegnen Sie der Kritik, dass Sie zu viel über Geld und zu wenig über Kunst sprechen?

Pereira: Durch die aktuelle Finanzsituation bin ich ja gezwungen, Details über meine Pläne zu verraten, was ich überhaupt nicht wollte. Mittlerweile stelle ich mir die Frage, ob ich das Programm 2013 nicht gleich während der Festspiele bekanntgebe. Es ist Wagner- und Verdi-Jahr, dem ich mit erstklassigen Aufführungen gerecht zu werden versuche. Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich mich künstlerisch für das Programm 2013 entschuldigen muss. Es wird für die Besucher sogar noch attraktiver sein als das diesjährige. Und ich bin schon mit dem nicht unzufrieden. Natürlich wird Salzburg Contemporary weitergeführt. Ich habe bereits vier Kompositionsaufträge vergeben: György Kurtag schreibt für 2013, Marc-André Dalbavie für 2014, Thomas Adès für 2015 und Jörg Wittmann für 2016. Man wird mich sicher nicht beschimpfen können, dass ich zu wenig zeitgenössische Musik mache.

STANDARD: Auch nicht dafür, dass die Festspiele hochglänzender und wieder elitärer werden?

Pereira: Ich kann mit diesen Begriffen wenig anfangen. Es geht doch darum, Werke so gut aufzuführen, dass die in ihnen liegende Energie frei wird und sich auf die Menschen überträgt. Dieser unbändige Wille zur Qualität ist ein Energiestrom, der von den Salzburger Festspielen unbedingt ausgehen muss. Das hat nichts mit Hochglanz zu tun - ebenso wenig wie die von mir mit der Ouverture spirituelle ausgesprochene Einladung, künftig die ersten zehn Tage mit geistiger Musik zu verbringen.

STANDARD: Der Carinthische Sommer kann sich heuer aus Budgetgründen zum letzten Mal die Uraufführung einer Kirchenoper leisten. Wollen Sie einspringen?

Pereira: Kirchenoper ist ein Traum von mir. Schauen wir mal.

STANDARD: Sie haben eine legendäre Aufführung von Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" im Wiener Konzerthaus realisiert. Wäre so etwas auch für Salzburg denkbar?

Pereira: Natürlich. Aber darüber müssen Sie bitte mit Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf reden.

STANDARD: Das Konzerthaus war damals hoffnungslos überfüllt. Sie haben als Generalsekretär persönlich geachtet, dass jeder sitzen konnte. Haben Sie sich diese Sorgsamkeit bis ins kleinste Detail erhalten?

Pereira: Ja. Wenn ein Papier auf dem Boden liegt, hebe ich es auf und schaffe nicht wem an, es zu tun. Und ich stehe bei Schwierigkeiten immer noch an der Kasse, etwa wenn es durch Absagen zu Spielplanänderungen kommt. Ich glaube, der Beruf des Intendanten ist ein dienender. Und das Ziel ist, die Künstler zu bestmöglichen Leistungen hinzulieben.

STANDARD: Sie wohnen noch in Zürich. Wann übersiedeln Sie nach Salzburg?

Pereira: Bis 9. Juli bin ich in Zürich, dann sind in Salzburg die Proben in vollem Gange, da habe ich keinen Kopf zu übersiedeln. Während der Festspiele auch nicht. Und am 2. September gehe ich entweder nach Steinhof, weil ich vom 1. 9. 2011 bis 1. 9. 2012 550 Vorstellungen hinter mich gebracht habe. Oder ich mache einen Monat nichts, nur Sonne, Wasser, Dolcefarniente. Erst danach werde ich übersiedeln. Man muss diese Institution vor Ort leiten, für die Leute da sein. Auch die Budgetgeschichte wäre einfacher zu verhandeln gewesen. Ich weiß, dass ich wegen meiner Doppelbelastung meiner letzten Saison in Zürich in der Vorbereitungszeit zu wenig in Salzburg war.

STANDARD: Im Lokal Triangel werden die Speisen nach Schauspielern, Sängern, Dirigenten und Intendanten benannt. Wird es bald ein Pereira-Gericht geben?

Pereira: Das wusste ich gar nicht. Aber da ich wahnsinnig gern koche, bin ich gern bereit, ein Rezept preiszugeben. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 23./24.6.2012)