Alte Hasen sprachen von einer "einmaligen Sternstunde" des Parlaments. 450 Teilnehmer im Sitzungssaal und auf vollen Galerien aller Etagen, aufmerksame Zuhörer über acht Stunden, der erste österreichische Seniorenplan, spannende wissenschaftliche Referate, weitreichende Einsichten und politische Zusagen zum EU-Jahr Aktiven Alterns. Bleibt nur zu hoffen, dass die feierlich-frommen Versprechen zum festlichen Hochamt im mühsamen Alltag nicht politischem Vergessen anheim fallen.

Das Parlament hatte gemeinsam mit dem Seniorenrat und der (u.a. von Leopold Rosenmayr, verehrter Lehrer und Doyen der Altersforschung, mir, Ex-WIFO-Chef Helmut Kramer und einigen Medizinern mitbegründete) Österreichischen Plattform für Interdisziplinäre Altersfragen (ÖPIA) eingeladen. Der Bundespräsident sandte Grußworte aus Vietnam, es sprachen die Parlamentspräsidentin, Bundeskanzler, Vizekanzler, Minister, Präsidenten, Vertreter aller Parteien.

Renommierte Altersforscher referierten: u.a. Toni Amann (WISDOM), Clemens Tesch-Römer, Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) in Berlin und Andreas Kruse, Gerontologe in Heidelberg und Mitherausgeber der sieben Altenberichte der dt. Bundesregierung 1993 bis 2010.

Und man hörte bisher Unerhörtes aus höchstem Munde zu Rosenmayr's "altersbunter Gesellschaft": der Vizekanzler "möchte die Forschungsquote auf sechs Prozent anheben, was deutlich mehr Forschung im Senioren-" und "intergenerationellen Bereich bedeuten würde" - derzeit haben wir 2,89 Prozent und kaum Lehrkanzeln für Demographie, Geriatrie, Sozialgerontologie, (selbst die Lehrstühle Rosenmayr und Amann wurden bisher nicht nachbesetzt), Pflegewissenschaft usw.

Sein Forschungsminister überhörte das geflissentlich und brillierte lieber wie gewohnt auf Lateinisch über Cato Maior de Senectute und die Vorzüge des Alters, das für politische Tätigkeit geradezu prädestiniere (der Senat als Versammlung der Senioren), weil zunehmende Geisteskraft abnehmende Körperkraft ausgleiche, die Begierden abnähmen und der Tod seinen Schrecken verliere. Die Geiselung von "Zwangspensionierung als Altersdiskriminierung" und des "völlig verfehlten Denkens, die Pension sei Schluss aktiven Lebens" ist freilich noch keine Altersforschungspolitik.

Politisch am weitesten gingen die Seniorenratspräsidenten und der Sozialminister, die den europaweit einzigen umfassenden nationalen Seniorenplan durch Prof. Amann ausarbeiten hatten lassen. Ältere dürften "nicht wie einstens warm, satt und sauber ihrem Tod entgegen betreut werden, sondern bei voller Teilhabe ein selbständiges sinnerfülltes Leben führen können"; "wer von Überalterung spricht verkennt, dass es nicht zu viele Alte, sondern zu wenig Junge gibt", man solle "richtiger von Unterjüngung reden" (Khol). Blecha will "lang leben lernen im mittleren Lebensabschnitt durchsetzen".

Der Sozialminister propagierte die "Generation Unruhestand", plädierte dafür, "den demographischen Wandel positiv zu sehen", sah "die Generation 50+ in Wahrheit im Mittelpunkt des Lebens", uns "älter werden trotz Gegensteuerns mit Messer, Gabel und Alkohol", forderte eine "Teilhabepolitik" und "ein weg von der Fürsorgepolitik". Also ein neues Paradigma moderner Sozialpolitik. Im September empfängt er in Wien die Sozialministerkonferenz der 56 UN-Europäischen Länder zum aktiven Altern. (Bernd Marin, DER STANDARD, 23/24.6.2011)