Bei einer dreitägigen Konferenz in Brüssel sind Windradmacher genauso dabei wie Tüftler, die glauben, die ultimativen Pellets erfunden zu haben.

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Sonnenblumen vertragen sich gut mit Windrädern, wenn sie nicht mit Solarzellen (Bild: Installation von Dang) bestückt sind.

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Schön schaut anders aus. Kaum hat man sich aus dem Schlauch der Brüsseler U-Bahn gekämpft und an behelfsmäßigen Absperrungen vorbei den Weg ins Freie gefunden, gibt es das nächste Schockerlebnis: die Place Schuman, benannt nach dem deutsch-französischen Staatsmann, der neben Jean Monnet als einer der Gründerväter der Europäischen Union gilt - eine große Baustelle. Und mittendrin das weit ausladende Berlaymont-Gebäude, der Sitz der EU-Kommission.

Es ist aber auch kein Schönheitswettbewerb, den Europa gewinnen will. Es ist nicht weniger als eine Energierevolution angesagt. Genauer - es geht um eine Revolution bei den erneuerbaren Energien.

Bewusstsein schaffen

Deutschland hat die Energiewende ausgerufen, drei Schrecksekunden nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, die ihrerseits durch Erdbeben und einen anschließenden Tsunami ausgelöst worden ist. Der gewollte Umbau des Energiesystems von großteils fossilen auf überwiegend erneuerbare Energieträger sei "eine Operation am lebenden Organismus" - und sei bisher beispiellos, hat Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kürzlich im Standard-Interview gesagt.

Wenige Schritte weiter liegt ein weiteres EU-Gebäude, benannt nach einem anderen Großen des Kontinents: Charlemagne - Karl der Große. Dieser Tage ist das Charlemagne Treffpunkt von Umweltbewegten und an Energiefragen Interessierten aus ganz Europa. Mit der zum siebenten Mal veranstalteten Sustainable Energy Week will die EU-Kommission das Bewusstsein um die Wichtigkeit einer nachhaltigen Energieversorgung schärfen.

Tanzende Sonnenblumen

Mehr als 900 Veranstaltungen in 48 Ländern, darunter die am Donnerstag zu Ende gehenden dreitägige Konferenz im Charlemagne sollen die Vielschichtigkeit aufzeigen. Windradmacher sind genauso dabei wie Tüftler, die glauben, die ultimativen Pellets erfunden zu haben.

Und dann gibt es auch noch tanzende Sonnenblumen. Der in Belgien ansässige Künstler Alexandre Dang will den Menschen mit seien solar sunflowers etwas Freude bereiten und gleichzeitig darauf aufmerksam machen, welches Potenzial Solarenergie hat.

Eine andere Form der Energiegewinnung

Seine in der Berlaymont Piazza aufgebaute Kunstinstallation besteht aus mehr als 1000 bunten "Blumen", die sich bewegen, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Dabei wird die aufgefangene Solarenergie genutzt, um einen Tanzeffekt zu erzeugen.

Läppisch, könnte man sagen. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen geglückten Versuch, auf unkonventionelle Art aufzuzeigen, um was es geht: um eine andere Form der Energiegewinnung.

Diese neuen Formen erfordern aber auch ein Mehr an Koordination. "Geh mir aus der Sonne, Windrad", könnte man überspitzt formuliert so manche unbeabsichtigten Auswüchse umschreiben, die bei der Implementierung erneuerbarer Energien passiert sind.

Vorhersage für Erneuerbare

Wenn ein großes Vorhaben wie der Umbau des Energiesystems angegangen werde, passierten auch Verrücktheiten. "Aus Erfahrungen kann man aber lernen", sagte Marie Donnelly, Direktorin des Fachbereichs erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Innovation bei der EU-Kommission. Man arbeite daran, die unterschiedlichen Förderregime, die es in den Mitgliedsländern zum Ausbau der erneuerbaren Energien gibt, besser aufeinander abzustimmen. Donnelly: "Wir wollen ein Gerüst erarbeiten, in das die besten Erfahrungen einfließen."

Das Beste, das Milos Milisavljevic passieren konnte, war der Sustainable Energy Award, den er 2011 für "Strawberry" erhalten hat. Ein Solarmodul speist über eine Batterie ein Ladegerät, das an öffentlichen Stellen den nötigen Saft für iPad, Smartphone und Co liefert. "Im September werden drei unserer Ladestationen in Doha aufgestellt, sagte der 23-jährige Serbe dem Standard. "Auch in Wien gibt es Interesse."

Heuer haben u. a. Belgier abgeräumt - mit einem Projekt namens EnergizAIR. Nach Art eines Wetterberichts wird dabei über TV oder Radio eine Vorhersage für erneuerbare Energien gegeben. Auch das ist ein Beitrag zur Bewusstseinsschaffung. (Günther Strobl aus Brüssel, DER STANDARD, 21.6.2012)