Jan Szala, einer der Stars der lebendigen polnischen Hausbrauerszene.

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Ganz ohne Alkohol kommt auch das Grätzer-Bier nicht aus, aber dank seiner niedrigen Stammwürze soll es besonders bekömmlich sein. Sagt zumindest die Legende.

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Grätzer Bier? Kennt man doch! In Graz, da gibt es die Puntigamer Brauerei, wo seit dem Zweiten Weltkrieg auch das berühmte Reininghaus-Bier gebraut wird. Halt! Nicht Graz. Grätz.

Grätz? Der Name ist - ebenfalls als Folge des Zweiten Weltkriegs - von der Landkarte verschwunden. Lesen wir nach in Meyers Lexikon 1887: "Grätz (poln. Grodzisko), Stadt im preußischen Regierungsbezirk Posen, Kreis Buk, an der Linie Opalenitza-Grätz der Preußischen Staatsbahn, hat 3 katholische und eine evang. Kirche, eine Synagoge, ein Amtsgericht, ein Progymnasium, bedeutende Bierbrauerei und (1885) 3906 meist kath. Einwohner."

Die "bedeutende Bierbrauerei", ehemals "Vereinigte Grätzer Bierbrauereien Akt.-Ges., Grätz/Wartheland", bestand bis 1994 - und das einst weltberühmte Bier hat in Polen noch heute den besten Ruf. Man konnte der Legende (und der in der Zwischenkriegszeit gängigen Werbung) zufolge nämlich endlos davon trinken, ohne berauscht zu werden, selbst Kindern wurde dieses extrem erfrischende Bier verabreicht.

Biergenuss ohne Reue

Das Geheimnis dahinter ist eine sehr niedrige Stammwürze, gewonnen aus speziellen Malzen. Jan Szala, einer der Stars der lebendigen polnischen Hausbrauerszene, hat mit ehemaligen Brauereimitarbeitern (der alte Braumeister war sein Hausnachbar) die Geheimnisse erkundet, selber Weizenmalz in der Selch einer Fleischhauerei über Eichenholzrauch gedarrt.

Er hat versucht, eine ähnliche Hefemischung (die typische Grätzer Hefe war eine Mischung von 50 obergärigen Hefen und Staubhefen) zu bekommen und ein bemerkenswertes Ergebnis erzielt: Sein "Piwo Grodziskie" ist hell und spritzig mit bemerkenswertem Schaum und einem leichten Rauchduft. Der Trunk ist säuerlich-erfrischend mit einer zarten Note von roten Äpfeln und einem Hauch von Restsüße. Demnächst soll es das Bier auch zu kaufen geben. (Conrad Seidl, Rondo, DER STANDARD, 22.6.2012)