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In ehemaligen Kinderheimen wie dem Schloss Wilhelminenberg sei Gewalt für einen Teil der beschäftigten Erwachsenen Teil ihrer Erziehungsmethoden gewesen, so die Kommission.

Foto: AP/dapd/Ronald Zak

Wien - Die einstigen Wiener Kinderheime waren ein Ort des Schreckens. Das geht aus dem am Mittwoch präsentierten Endbericht der Heim-Historikerkommission hervor. Das Gremium unter dem Vorsitz des Zeithistorikers Reinhard Sieder hat sich mit den Zuständen in den Anstalten beschäftigt. Untersucht wurde der Zeitraum von den 1950er bis zu den 1970er Jahren. Damals war in den großen Heimen Gewalt offenbar Alltag: "Es ist eine historische Katastrophe von eigentlich unglaublichen Ausmaßen", zeigte sich Sieder erschüttert.

Die Kommission hat unter anderem ausführliche Gespräche mit 20 Betroffenen geführt. Dabei seien erstmals die Vielfalt und das Ausmaß der Gewalt zutage getreten, berichtete Sieder in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jugendstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ). Die großen Heime seien ab den 1970er Jahren zwar geschlossen worden, eine systematische Aufarbeitung der Verhältnisse habe aber nie stattgefunden: "Es gab keine Forschung dazu." Nun sei klar: Zumindest für einen Teil der in den Heimen beschäftigten Erwachsenen sei Gewalt Teil ihrer Erziehungsmethoden gewesen.

Alle Fälle verjährt

Die Fälle sind laut Sieder alle verjährt. Auch finden sich keine Namen mutmaßlicher Täter in dem Bericht, berichtete der Leiter der Kommission, die 2010 ihre Arbeit aufgenommen hat. Seit damals gibt es für Opfer auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung bzw. therapeutische Hilfe zu erhalten. Inzwischen haben sich laut Oxonitsch 1.105 Personen bei der Stadt gemeldet, die über Gewalterfahrungen in den einstigen Wiener Kinderheimen (die sich nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Bundesländern befanden, Anm.) berichtet haben.

Klar ist nun auch: In so gut wie allen diesen Fällen fand tatsächlich körperliche und psychische Gewalt statt. Fast die Hälfte der Betroffenen musste auch sexualisierte Gewalt erleiden, hieß es am Mittwoch. Insgesamt wurden seither 769 Fälle in den Gremiumssitzungen der Opferschutzorganisation Weißer Ring behandelt. Für 550 Personen wurden finanzielle Unterstützungen beschlossen und für 396 Psychotherapie bewilligt (gesamt rund 25.000 Stunden, Anm.). Zuerkannt wurden bisher 17,1 Mio. Euro.

"Unfassbare, erschütternde Geschichten"

Die meisten Meldungen entfallen auf die ehemaligen Heime Wilhelminenberg (132), Eggenburg (91), Hohe Warte (86), Hütteldorf (64), die Wiener Kinderübernahmestelle (64) und Biedermannsdorf (59). Mit dem ehemaligen Heim im Schloss Wilhelminenberg beschäftigt sich auch eine eigene Kommission. In der Anstalt sollen sogar Fälle von Kinderprostitution vorgekommen sein.

"Es sind unfassbare, es sind erschütternde Geschichten, die man hier lesen kann", kommentierte Jugendstadtrat Oxonitsch den mehr als 500 Seiten starken Bericht. Den Opfern sei es wichtig gewesen, dass man ihre Erzählungen höre und ihnen Glauben schenke. Erlittenes Leid könne man nicht wiedergutmachen, man könne aber versuchen, zumindest ein Zeichen zu setzen, so der Stadtrat. (APA, 20.6.2012)