Toulouse - Ein psychisch kranker Geiselnehmer hat am Mittwoch die Polizei im südfranzösischen Toulouse in Atem gehalten: Der bewaffnete Mann brachte am Vormittag vier Menschen in einer Bank in seine Gewalt, ließ im Laufe des Nachmittags zwei Frauen wieder frei und wurde schließlich festgenommen. Der Täter gab sich als Mitglied des Terrornetzwerkes Al-Kaida aus.

Der Mann drang gegen 10.10 Uhr in die Bank CIC im Stadtzentrum von Toulouse ein und verlangte Geld. Als die Angestellten ihn nicht ernst nahmen, feuerte er laut Polizei einen Schuss ab und brachte die vier Menschen in seine Gewalt. Verletzt wurde demnach niemand. Über mehrere Stunden hinweg versuchten die Beamten in Verhandlungen, nach der Freilassung der beiden Frauen auch die anderen zwei Geiseln freizubekommen. Die Geiselnahme dauerte insgesamt etwa sieben Stunden.

Bank gestürmt

Am späten Nachmittag entschlossen sich die Beamten schließlich mit Hilfe von drei Detonationen zur Stürmung der Bank. Sie befreiten die beiden letzten Geiseln, die unverletzt blieben. Der Geiselnehmer selbst wurde am Bauch verletzt und musste an Ort und Stelle von Rettungskräften behandelt werden. Zur Schwere der Verletzungen lagen zunächst keine Angaben vor.

Nach Angaben des Staatsanwaltes von Toulouse, Michel Valet, gab der Mann an, rein aus "religiösen Überzeugungen" zu handeln und nicht wegen Geld. Die Schwester des mutmaßlichen Täters sagte der Nachrichtenagentur AFP aber telefonisch, ihr Bruder sei "nicht sehr religiös". Er sei schon als Kind in der Obhut des Gesundheitsamtes gewesen: "Er ist durchgedreht und hat Angst vor der Außenwelt."

Der Geiselnehmer forderte, dass die Elitepolizei RAID vor Ort kommen solle. Diese Einheit hatte am 22. März den Serienattentäter von Toulouse, Mohamed Merah, nach mehr als 30-stündiger Belagerung in dessen Wohnung erschossen, die nur rund 500 Meter vom Ort der Geiselnahme entfernt lag. Der Islamist Merah, der im Großraum Toulouse drei französische Soldaten sowie drei Kinder und einen Lehrer vor einer jüdischen Schule erschoss, hatte sich ebenfalls als Al-Kaida-Mitglied ausgegeben.

Merahs Vater hatte erst vergangene Woche Klage wegen "Ermordung" seines Sohnes eingereicht. Er wirft der Eliteeinheit RAID vor, seinen Sohn absichtlich erschossen zu haben.

Bei der Geiselnahme rückten nun Sondereinsatzkräfte der Polizeieinheit GIPN aus Bordeaux und Marseille an. Der Umkreis der Bank wurde abgeriegelt, und die Eltern einer benachbarten Schule wurden aufgefordert, ihre Kinder abzuholen.

In Toulouse war erst am 6. Juni ein Sicherheitsmann des französischen Wetterdienstes als Geisel genommen worden. Der Täter, ein Arbeitsloser, konnte überwältigt werden. (red, APA, 20.6.2012)