Österreichische Politiker werden derzeit immer häufiger auf der Straße oder bei Veranstaltungen mit der Frage angesprochen, die die Leute wirklich interessiert: "Was passiert mit unserem Geld?"

Die Möglichkeit, dass ein finanzieller Totalcrash über Europa oder auch die Welt kommt - nach dem düsteren Vorbild der 30er-Jahre - ist im Bewusstsein der Bürger. Es findet kein stiller Run auf die Banken statt, wie in Griechenland oder in Spanien, aber die Sorge um die Ersparnisse und um die Stabilität des Euro ist ganz offensichtlich da.

Beim Gipfel der 20 wichtigsten Industriestaaten in Mexiko wurde über die richtige Methode zur Krisenbekämpfung gestritten. Die Amerikaner fordern, Europa müsse jetzt auf massive Verschuldung und Flutung der Wirtschaft mit Geld setzen. Die Europäer erwidern gereizt, sie ließen sich von den Amis, die im übrigen mit der Bankenkrise die Schwierigkeiten ausgelöst haben, nicht belehren. Und man sei ohnehin schon dabei mit einer Fiskalunion, einer Bankenunion und anderen Maßnahmen die europäische Wirtschaftspolitik zu vereinheitlichen.

Beim EU-Gipfel Ende nächster Woche soll das teilweise festgeklopft werden (Österreich unterstützt gemeinsam mit Deutschland, Italien und Spanien eine gemeinsame Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank).

Und so improvisieren wir uns durch die Krise - immer am Rande eines terminalen Umfallers, mit immer neuen Maßnahmen und Stützungsmilliarden und mit dem wachsenden Bewusstsein, dass so bald kein Ende sein wird.

Eine österreichische Führungspersönlichkeit, die an den wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen seit Beginn der Krise 2008 beteiligt war, spricht die Realität an:

"Wir wissen immer noch nicht, welche Instrumente funktionieren und welche nicht. Wir standen am Beginn der Finanzkrise vor der Wahl, Banken pleitegehen zu lassen - mit irreversiblen, nicht abzuschätzenden Folgen am nächsten Tag; oder sie zu stützen und Garantien auszusprechen. Man hat aus den Dreißigerjahren gelernt und keinen reihenweisen Bankenzusammenbruch zugelassen. Aber es ist derzeit kein Ende abzusehen" .

Die europäische Politik befinde sich in der Situation eines Reiters auf einem galoppierenden Pferd: "Wir halten uns im Sattel, wir haben die Zügel noch in der Hand, aber wir wissen nicht genau, wo es hingeht".

Man könne nur weiter versuchen, oben zu bleiben, in manchen Verschnaufpausen das Pferd weiter zu füttern, aber dann gehe der Galopp wieder los und neue Hindernisse müssten übersprungen werden. Die Probleme seien eben nicht nur finanztechnischer Natur: Wenn man 100 Milliarden für Spaniens Banken hinlege, so sei damit noch immer nicht geklärt, wie Spanien aus seiner realwirtschaftlichen Krise herauskomme.

Wachstum durch neue Megaschulden zu stimulieren, wie es die Amerikaner und die europäische Sozialdemokratie fordern, erscheint nicht als vielversprechender Weg. Europa wird sich wohl weiter durch die Krise improvisieren. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 20.6.2012)