Die Ausgangslage bezüglich des Umweltgipfels Rio+20 ist deprimierend: Die vielen schönen Empfehlungen anlässlich der Vorgänger-Konferenz vor 20 Jahren, ebenfalls in Rio de Janeiro, hatten kaum Auswirkungen auf das reale Handeln der Menschen. Es kam lediglich zu einem Bewusstseinswandel darüber, welches Verhalten ökologisch ist und welches nicht. Aber das ist schon alles.

Im Großen und Ganzen machten die Menschen so weiter wie bisher. Sie legten sogar noch einen Zahn zu: Niemals zuvor wurden die Ressourcen dieses Planeten so schnell ausgebeutet wie heute - als ob es egal wäre, wenn kommende Generationen über bestimmte Metalle oder Energieträger nicht mehr verfügen können. Mehr denn je wird die Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen dezimiert, werden Wälder in großem Stil abgeholzt, wird Wasser vergeudet und verschmutzt. Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist so fortgeschritten, dass auch radikale Maßnahmen die Erderwärmung auf zwei Grad plus nicht mehr beschränken können.

Daran wird sich mit diesem Gipfel nichts ändern. Während in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts internationale Politik und Diplomatie einiges weitertrieben und beispielsweise das Kioto-Protokoll mit seinen weitreichenden Klimavorgaben auf den Weg brachten, wird seit der Jahrtausendwende mehr hintertrieben denn gestaltet.

Internationale Verträge à la Kioto sind in diesem Umfeld schlecht vorstellbar. Die Papiere, die seither anlässlich von großen Öko- oder Klimakonferenzen formuliert wurden, sind nicht bindend und waren in der Regel schnell vergessen. Dazu kommt die Finanzkrise, die die reiche Welt lähmt und ihren Vertretern die Ausrede liefert, sich mit den großen Ökoproblemen dieser Welt nicht befassen zu können. Auch die ohnehin nicht sehr tragfähige Solidarität mit den armen Ländern des Südens hat angesichts der Krise gelitten. In dieser Situation kann es leicht zu einem Scheitern von Rio+20 kommen - schon macht der Ausdruck "Rio minus 20" die Runde.

Und doch kann aus dieser Situation etwas Neues, Positives erwachsen. Anstatt sich auf dieser Konferenz in den unterschiedlichsten Problemfeldern zu verzetteln und allgemein über "die Rettung des Planeten" zu diskutieren, sollte über wirtschaftlich machbare Auswege nachgedacht werden. Nur diese haben in dem derzeitigen Krisenumfeld Chance auf Verwirklichung.

Das Potenzial, das in nachhaltigen, klimaschonenden, nichtfossilen, erneuerbaren und sonst wie innovativen Technologien steckt, ist enorm und bei weitem nicht ausgelotet. Die "grüne Ökonomie", übrigens ein Tagungspunkt in Rio, ist kein Ausweg für alles - aber sie ist das einzige Ideengebäude, das in vielen Problembereichen langfristig wirkende, positive Veränderungen herbeiführen kann.

Die Industriestaaten müssen sich sowieso über breite Investitionen aus der Finanzkrise katapultieren. Warum dann nicht in nachhaltige Kreisläufe und Wirtschaftssysteme investieren? Angesichts der Milliardensummen, die Jahr für Jahr für fossile Brennstoffe aufgewendet werden müssen, ist nicht einsichtig, wieso nicht viel forcierter von fossilen Energieträgern Abschied genommen wird. Über lokale Energiebereitstellung werden auch die händeringend gesuchten Arbeitsplätze geschaffen. Lokale Energiebereitstellung schont die Budgets, und den Klimawandel stoppt es auch. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 20.6.2012)