"Telemedicine Vans" sind in entlegenen Gegenden Indiens unterwegs, um die Bevölkerung medizinisch zu versorgen.

Foto: i-Diagnosis

Komplizierte chirurgische Eingriffe via Computerbildschirm haben die Initiatoren nicht im Sinn, wenn sie von "Humanitarian Telemedicine" sprechen: "Es geht um Basisservices, um das Recht auf eine ordentliche medizinische Diagnose", hielt Peter Hulsroj fest. Auch Menschen in abgelegenen, ländlichen Gegenden und in Entwicklungsländern sollen die Chance auf gute medizinische Betreuung haben. Dafür soll verstärkt Satellitentechnologie zum Einsatz kommen, sagte der Direktor des European Space Policy Institutes (ESPI) mit Sitz in Wien auf dem Pressegespräch vor der Auftaktveranstaltung der Initiative.

Auftakt in Wien

Diese fand vergangene Woche im Rahmen der Hauptversammlung des UNO-Komitees für die friedliche Nutzung des Weltraums statt. Veranstaltungsort waren die Räumlichkeiten des ESPI, das sich als europäische Denkfabrik für Weltraumpolitik sieht und als Forum für strategische Weltraumfragen Forschungseinrichtungen vernetzen will. Das Institut wird vom Verkehrsministerium unterstützt.

Krishnaswamy Kasturirangan, ehemaliger Vorsitzender der Indian Space Research Organisation (ISRO) und Mitglied der Indischen Planungskommission, schilderte seine Erfahrungen mit Telemedizin via Satellit: "Eine Prämisse des indischen Weltraumprogramms war es, die Technologie für das Wohlergehen aller einzusetzen."

Dies gelte auch für die medizinische Versorgung: "Es gibt in Indien ein großes Gefälle zwischen medizinischer Versorgung auf dem Land und in der Stadt", sagte Kasturirangan. "Um dieses zu überwinden, setzten wir früh beispielsweise auf Satellitenkommunikation." Die Basisversorgung sei durch Distriktkrankenhäuser gegeben. Werde der Rat eines Spezialisten benötigt, könne dieser via Satellit hinzugezogen werden und so eine schnelle, zuverlässige Diagnose gestellt werden. Auch sogenannte Telemedicine Vans sind unterwegs, die für die mobile Versorgung der Bevölkerung sorgen.

Hoffnung und Zweifel

Adigun Ade Abiodun, ehemaliger Vorsitzender des United Nations Committee of the Peaceful Uses of Outer Space (Copuos), aus Nigeria stammend, zeigte sich vorsichtig. "Die medizinische Versorgung in Entwicklungsländern ist seit Jahrzehnten Thema in der Staatengemeinschaft", sagte er und nahm Bezug auf Afrika: "Die Probleme beginnen vor Ort." Zahlreiche regionale Krisen und politische Probleme würden den Aufbau einer minimalen Infrastruktur erheblich erschweren. " Solange es keine Stabilität gibt, gibt es keine medizinische Infrastruktur", gab er zu bedenken.

Telemedizin wird zum einen als Werkzeug gesehen, um den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erleichtern, aber auch als Anreiz für Ärzte, die sich freiwillig engagieren wollen, aber nicht in entfernte Gegenden reisen können. Diesen könnte es die Gelegenheit geben, ihre Arbeitskraft und Expertise zur Verfügung zu stellen.

Und so ist im Rahmen der Initiative geplant, in Städten der entwickelten Länder Schnittstellen, sogenannte Hubs, zu errichten, die diese mit mobilen oder stationären Telemedizinstationen in Entwicklungsländern verbindet. Das soll Ärzten aus dem Westen ermöglichen, wenigstens für ein paar Stunden in der Woche freiwillig Dienst zu tun, um Ferndiagnosen zu stellen und die Behandlung, aber auch die weitere Versorgung des Patienten in die Wege zu leiten.

"Der Arzt verbringt zum Beispiel zwei Stunden in einem solchen Hub und ist mit dem Patienten über ein Satellitensystem verbunden", sagte Hulsroj. Generell stellte sich allerdings die Frage, ob Telemedizin eher Ratgeber oder Erstdiagnose-Tool sei. Schließlich ist es in manchen Gegenden kaum möglich, spezielle Tests durchzuführen. Man war sich jedoch schnell einig, dass medizinische Hilfe mithilfe von Telemedizin besser sei als gar keine Hilfe. (Markus Böhm, DER STANDARD, 20.6.2012)