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Bootsflüchtlinge nach ihrer Rettung auf der italienischen Insel Lampedusa. Für 1500 andere endete der Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, 2011 mit dem Tod.

Foto: EPA/Ferraro

Wien - Die Flüchtlingskrise betrifft ganz Europa - doch um die Lage von Schutzsuchenden in Österreich zu verbessern, hat Madeleine Petrovic, Klubobfrau der niederösterreichischen Grünen, einen ganz konkreten Vorschlag, "der auch der heimischen Wirtschaft nützen würde". Statt, wie derzeit die Wirtschaftskammer, in den südeuropäischen EU-Schuldenstaaten mühsam Arbeitskräfte anzuwerben, sollte auf das Know-how von Asylwerbern in Österreich rückgegriffen werden.

Die Wirtschaftskammer keilt, wie berichtet, in Spanien Kandidaten für offene Jobs. Ähnliche Aktionen sollen auch in Portugal, Griechenland und Irland stattfinden. Laut Petrovic der falsche Weg, "weil dadurch eine neue Arbeitsmigration mit den bekannten Folgen für kommende Generationen" initiiert werde. "Der Arbeitskräftemangel ist inzwischen in vielen Branchen eklatant. Arbeitsbewilligungen für Asylwerber könnten hier rasch Abhilfe schaffen", meint die Grüne. Ebenso "kontinuierliche Beschäftigungsbewilligungen für Saisonarbeiter", die diese derzeit alle sechs Monate neu beantragen müssen.

Saison- und Erntekräfte

Zum Weltflüchtlingstag am Mittwoch, stehen legale Jobs für die rund 30.000 in Österreich aufhältigen Asylwerber - und die Möglichkeit für die jüngeren unter ihnen, eine Lehre zu machen - in den Forderungskatalogen heimischer Flüchtlingshilfs-NGOs wie SOS Mitmensch, dem Integrationshaus und M-Media ganz oben. Denn aufgrund eines Erlasses des damaligen Arbeitsministeriums aus dem Jahr 2000 dürfen Schutzsuchende außer als Saison- und Erntekräfte nicht arbeiten.

Am Dienstag stellte Caritas-Präsident Franz Küberl bei einer Pressekonferenz die missliche Lage der Betroffenen anhand konkreter Fallbeispiele dar. So seien zwei Tschetschenen, Eltern von vier Kindern, aufgrund des Arbeitsverbots zu sechs Jahren Untätigkeit gezwungen gewesen: "Als sie endlich humanitären Aufenthalt bekommen hatten, waren sie über 50 und auf dem Arbeitsmarkt unvermittelbar." Änderung der restriktiven Erlasslage ist derzeit nicht in Sicht, obwohl das Sozialministerium seit Monaten "an Verbesserungen arbeitet", wie dort zu erfahren war.

Rückschiebung auf hoher See

Zur EU-weiten Lage von Flüchtlingen nahm bei besagter Pressekonferenz Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty in Österreich, Stellung. So habe Amnesty Italien vor wenigen Tagen erfahren, dass die Regierung in Rom ein Migrationsabkommen mit der neuen libyschen Regierung abgeschlossen hat.

Der vorhergehende Vertrag zwischen Rom und Tripolis war durch den Umsturz in Libyen außer Kraft gesetzt worden. Dass der Rücktransport von auf offenem Meer aufgegriffenen Bootsflüchtlingen inakzeptabel ist, hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im März klargestellt. "2011 sind im Mittelmeer mindestens 1500 Menschen ertrunken. Europa muss seiner Verantwortung für Flüchtlinge in Seenot endlich gerecht werden", sagte Patzelt. (bri, DER STANDARD, 20.6.2012)