Am Arbeitsplatz einchecken wie in ein Hotel: Insgesamt sieben Arbeitsplatztypen stehen zur Verfügung - für Nestwärme ist auf Wunsch ebenfalls gesorgt.

Foto: Polyfilm

Arbeitnehmer im Visier von Veränderungsagenten, Büros als Bühnen für flexible Performance.

Wien - Ein Teamleiter holt seine Gruppe zur Morgenbesprechung zusammen. Alle leisten der Aufforderung Folge. Die Begeisterung hält sich allerdings merklich in Grenzen. Die Frage nach dem heutigen Befinden wird zögerlich beantwortet. "Und wie ging's gestern?" - "Viel besser", platzt eine Frau heraus. "Und warum?" - "Weil ich nicht hier war."

Die Szene ereignet sich in einem Großraumbüro der Deutschen Post. Das Unternehmen arbeitet an einem ehrgeizigen Projekt. Von Beratern angeleitete Veränderungsagenten - neudeutsch: "change agents" - sollen in ihrer jeweiligen Arbeitsumgebung einen koordinierten Wandel herbeiführen, eine "Kultur der ständigen Verbesserung" verankern.

Früher hätte man in einem solchen Zusammenhang wahrscheinlich von Rationalisierung, Effizienzsteigerung und Controlling gesprochen und das System als hierarchisch und autoritär bezeichnet. Aber Sprache und Methoden sind eben auch einem steten Wandel unterworfen - Carmen Losmanns preisgekrönter Dokumentarfilm Work Hard - Play Hard verzeichnet den Stand der Dinge am Beginn der 2010er-Jahre.

Vier Jahre hat die deutsche Filmemacherin daran gearbeitet. Es ist nicht ihre erste Dokumentation, die sich mit zeitgenössischen Arbeitswelten auseinandersetzt, aber mit Sicherheit die umfangreichste. Zuvor hat Losmann mehrere Kurzfilme veröffentlicht. Für Work Hard - Play Hard hat sie rund hundert Stunden Material gedreht und auf 90 Minuten verdichtet.

Der Film stellt Beobachtungen an: In Unternehmen und bei Beraterfirmen, während Besprechungen und Präsentationen, bei In- und Outdoor-Trainings und Assessment-Gesprächen. Er beginnt bei den äußeren Rahmenbedingungen, die Unternehmen für ihre Angestellten schaffen. Im konkreten Fall ist dies das vom Stuttgarter Büro Behnisch entworfene Interieur der neuen Unilever-Zentrale in Hamburg.

Verbesserung am Menschen

Schnell gelangt man von diesen Bühnen für eine flexible Performance jedoch zu den Optimierungsmaßnahmen an der Ressource Mensch. Diese sind keine Fortbildungen im klassischen Sinne mehr, die dem Erwerb bestimmter fachlicher Qualifikationen dienten. Ihr Ziel ist die Profilierung und Veränderung der einzelnen Mitarbeiter im Sinne der Firma.

Die Aufnahmen sind kühl und distanziert. Manchmal wirkt die Kamera wie ein Alienauge, das ungerührt eine fremde Welt betrachtet. Die Protagonisten bleiben "in der Rolle" - wo die (Selbst-)Reflexion Teil der Übung ist, empfehlen sich zur Analyse Verdichtungen, Wiederholungen, Analogien in Bild und Ton.

Was dabei unter anderem anschaulich gemacht wird, das ist die Abschaffung des Arbeitsplatzes als sozialer Ort. Der Mensch, so erklärt ein Schweizer Unternehmer einmal, stehe jetzt im Mittelpunkt der Arbeitswelt. Aber dieser Mensch soll sich an seinem Schreibtisch möglichst nicht mehr persönlich einrichten. Für den Austausch mit Kollegen sind "offene Zonen" vorgesehen, von Kaffeeautomaten markiert. Für das Entstehen von Gruppengefühl muss genügen, dass man sich " gemeinschaftlich ein Performance-Board" teilt.

Dafür herrscht im Großraumbüro gespenstische Ruhe (und das Summen der Geräte). Die standardisierten Funktionsräume sehen aus wie eine Möbelausstellung und verbreiten den sterilen Charme von Kettenhotels. So austauschbar und flexibel wie die Räumlichkeiten sollten konsequenterweise auch die Menschen sein, die man darin arbeiten lässt.

Losmanns Film beschreibt diese Einflussnahme aufs Bewusstsein der Werktätigen. Einmal sieht man Trainer, die Trainees mit Augenbinde wie Labortiere in ein Labyrinth schicken und ihr Verhalten via Monitor beurteilen. Ein weiterer Schritt wird bereits erträumt: Ihre Vision sei es, sagt eine Beraterin, den "kulturellen Wandel nachhaltig in die DNA jedes Mitarbeiters zu pflanzen."

Bei der Vorführung des Films am Crossing-Europe-Festival wurde diese Aussage aus dem Publikum übrigens mit einem herzhaften "Geh weida" quittiert. So lange solche Reflexe noch funktionieren, besteht Hoffnung. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 20.6.2012)