Leidschendam/Freetown/Monrovia  - Für den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor hat der letzte Akt im "Blutdiamanten-Prozess" begonnen. Der 64-Jährige war im vergangenen Jahr wegen Kriegsverbrechen in Sierra Leone zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt worden, hatte das Urteil aber angefochten. Am Dienstag begann sein Berufungsverfahren in Leidschendam bei Den Haag.

Zu Beginn forderten die Ankläger des Sondertribunals für Sierra Leone am Dienstag 80 Jahre Gefängnis für Taylor. Die bisherige Strafe werde dem Ausmaß der Verbrechen und seiner aktiven Rolle nicht gerecht, erklärte der Ankläger Nicholas Koumjian.

"Justizirrtum"

"Das Gericht muss nicht nur die eigentlichen Täter zur Rechenschaft ziehen, sondern auch diejenigen, die diese Verbrechen fördern", sagte der Ankläger. Er nannte als Beispiel die Verurteilung deutscher Industrieller, die das Gas für die Konzentrationslager der Nazis geliefert hatten.

Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte Taylor, gekleidet in einen dunklen Anzug, in weißem Hemd mit roter Krawatte, die Anhörung. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch und nannten das Urteil einen "groben Justizirrtum". Der 64-Jährige habe die Verbrechen nicht selbst begangen und diese auch nicht beabsichtigt.

Im April 2012 war Taylor als erstes ehemaliges Staatsoberhaupt nach dem Zweiten Weltkrieg der Anstiftung und Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig gesprochen worden. Er hatte die Rebellenbewegung RUF mit Waffen und logistischen Mitteln im Tausch für "Blutdiamanten" ausgestattet. Die "Revolutionary United Front" war berüchtigt für eine Terrorkampagne in Sierra Leone. Die Rebellen hatten gemordet und vergewaltigt sowie vermeintlichen Gegnern Hände und Beine abgehackt.

Das Gericht hatte in seinem Urteil die Taten "einige der grausamsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit" genannt. Im Bürgerkrieg in dem westafrikanischen Land wurden von 1991 bis 2002 Zehntausende Menschen getötet.

Taylor hatte stets seine Unschuld beteuert und von einem internationalen Komplott gegen ihn gesprochen. Der Prozess gegen ihn war 2006 aus Sicherheitsgründen nach Den Haag verlegt worden.

Die Anhörungen in dem Berufungsverfahren werden an diesem Mittwoch fortgesetzt. Ein Urteil wird für September erwartet. Taylor müsste eine Gefängnisstrafe in einem britischen Gefängnis verbüßen. (APA, 22.1.2013)