Auch mit 85 Jahren noch ein engagierter Zeitgenosse: Harry Belafonte.

Foto: Arsenal

Wien - Das Duett On the Path of Glory zwischen Harry Belafonte (im weißen Rollkragenpullover) und Petula Clark (im weißen Divenzelt) aus dem Jahr 1968 ist eine schmalzig widersprüchliche Hymne gegen den Krieg und für soldatisches Heldentum, mit pompösen Bläsersätzen und dubioser Lyrik. Dass wir den entsprechenden Fernsehmoment heute noch gelegentlich zu sehen bekommen, hat mit einem Skandal zu tun, der daraus entstand: Petula Clark nimmt gegen Ende des Lieds den Arm ihres männlichen Gegenübers, sie hängt sich ein, wie man in Österreich sagen würde. Damit vollzog sie eine Berührung, die von Konservativen sofort als " interracial" erkannt wurde, und damit als für die Ausstrahlung im Fernsehen nicht geeignet.

Man kann es heute nur noch schwer nachvollziehen, dass so ein Vorfall noch 1968 zu einem Streitfall werden konnte. Doch nach dem Dokumentarfilm Sing Your Song, in dem diese Szene auch Thema ist, hat man eindeutig eine bessere Perspektive auf den langwierigen Prozess der Durchsetzung der Bürgerrechte. Und Harry Belafonte, um dessen Lebensgeschichte es in diesem Film von Susanne Rostock geht, wird als eine der wichtigsten Figuren dieser Bewegung erkennbar: ein Popstar, der sich hier auch als Politstar gibt - eine Rolle, in der er auch schon im Vorjahr auf der Viennale zu gefallen wusste.

Sing Your Song wurde von Gina Belafonte, der jüngsten Tochter des Protagonisten, koproduziert und nicht zuletzt für eine TV-Auswertung bei HBO konzipiert. Das legt die Form des Films weitgehend fest und setzt ihr auch enge Grenzen: In einem Wechselspiel aus Selbstaussagen, Interviews mit Beteiligten und Archivmaterial geht es um die Version von Belafontes Leben und Wirken, die er selbst im Umlauf bringen möchte. Das ist für einen Mann mit seinen Verdiensten selbstverständlich zulässig und immer noch von großem Interesse (am ehesten wird man hier von einer Beigabe zu seiner kürzlich auf Deutsch erschienenen Autobiografie My Song sprechen können).

Kampf für Bürgerrechte

Belafonte wurde mit Songs wie Angelina oder dem Banana Boat Song und Filmen wie Carmen Jones (1954), Island in the Sun (1957) oder dem von ihm selbst mitproduzierten Boxerdrama Odds Against Tomorrow (1959) bekannt und nützte bald seinen Status auch als persönlicher Freund von Martin Luther King, um Politikern wie Robert Kennedy die Anliegen des Civil Rights Movements plausibel zu machen (vor allem, als es 1963 um den Marsch auf Washington ging).

In all diesen Jahren wurde Belafonte auch vom FBI überwacht und als Kommunist verdächtigt - ein Aspekt, der in Sing Your Song auch mit dem Scheitern seiner ersten Ehe in Verbindung gebracht wird. Familiäre Aspekte (drei Frauen und vier Kinder kommen zu Wort) sind es vor allem, bei denen auch dieser insgesamt grundpositive Film erkennen lässt, welche Spannungen dieses öffentliche Leben auf sein ganzes Umfeld ausstrahlen lässt.

Doch über weite Strecken sind globale Politik und Zeitgeschichte das Metier von Sing Your Song. Bis in die Gegenwart und trotz seiner inzwischen angegriffenen Gesundheit engagiert sich Belafonte, ob das in Haiti ist oder in Los Angeles, wo er sich gegen die "neue Sklaverei" ausspricht, zu der afroamerikanische und hispanische Delinquenten in US-Gefängnissen verurteilt werden. Harry Belafonte hat insgesamt alles im Griff in einem Film, der seine stärksten Momente dort hat, wo selbst eine harmlose Geste zu einem Politikum werden kann. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 20.6.2012)