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Die neuen Regelungen, die Schlupflöcher schließen sollen, häufen neue Probleme an, meint die Immo-Wirtschaft.

Die Debatte um den Entfall des Vorsteuerabzugs bei Bauprojekten hält weiter an. Städten und Gemeinden ist es - wie berichtet - ab 1. September nicht mehr möglich, eine bestimmte Umgehungskonstruktion zu nützen. Bisher konnten sie sich über den Umweg von Projektgesellschaften für eigene Bauprojekte, die sie später anmieteten, einen steuerlichen Vorteil verschaffen, indem diese "vorgeschalteten Rechtsträger" sich die Vorsteuer aus der Vermietung an die Gemeinde zurückholen konnten. Verkauft werden konnte nach zehn Jahren dieser günstigen Vermietung dann umsatzsteuerfrei.

Dieser Zeitraum von zehn Jahren wird nun per September auf zwanzig Jahre ausgedehnt, andererseits kann der Vorsteuerabzug nur noch dann vorgenommen werden, wenn im Rahmen der Vermietung für Geschäftszwecke der Mieter die Räumlichkeiten für Umsätze verwendet, die nicht den Vorsteuerabzug ausschließen. Gemeinden, aber auch etwa Banken und Versicherungen sowie Unternehmen der öffentlichen Hand sind aber generell so genannte "unecht befreite Rechtsträger", die keine Umsatzsteuer zahlen müssen und deshalb auch dem Staat keine Vorsteuer in Rechnung stellen können.

Ausnahmen für Schulbauten gefordert

Die Kommunen fordern seit Wochen, dass zumindest für Schulbauten weiterhin Ausnahmen gelten sollen. Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger mutmaßte nämlich im April, dass sich die Investitionen in den Bau von Schulen und Kindergärten für die heimischen Kommunen durch die neue Regelung um 60 bis 100 Millionen Euro verteuern könnten.

Wenigstens für Bildungsbauten eine Ausnahme zu machen, dazu fordern nun 250 Städte und Gemeinden laut "Presse" die Bundesregierung auch per Gemeinderatsbeschluss auf. Ob es auch eine Klage geben wird, wie dies Städtebund-Präsident Michael Häupl auf dem jüngsten Städtetag in Dornbirn in den Raum stellte, ist noch nicht sicher - man lasse diese Möglichkeit weiterhin prüfen, hieß es zuletzt.

ÖVI befürchtet "Chaos"

Weil die neue Regelung aber nicht nur die Kommunen trifft, sondern potenziell auch alle Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten, schlug Ende vergangener Woche auch der Österreichische Verband der Immobilientreuhänder (ÖVI) Alarm. "Äußerst kompliziert", ja möglicherweise sogar "chaotisch" könne es für diese Vermieter werden, fürchten ÖVI-Präsident Udo Weinberger und Geschäftsführer Anton Holzapfel.

Schließt ein Vermieter eines Geschäftslokals nämlich künftig mit einem solchen "unecht steuerbefreiten" Unternehmer - wozu neben Banken und Versicherungen auch Ärzte und Versicherungsmakler sowie Kleinunternehmer bis zu einem Jahresumsatz von 30.000 Euro gehören - ab 1. September einen neuen Mietvertrag ab, dann kann der Vermieter eben die Vorsteuer nicht mehr anteilig geltend machen. Bisher war es für unecht steuerbefreite Mieter zwar möglich, auf die 20 Prozent Umsatzsteuer zu "optieren" (=auf die Steuerbefreiung zu verzichten), womit der Vorsteuer-Ersatz für den Vermieter gesichert war. Ab 1. September ist dies aber nur noch dann zulässig, wenn der Vermieter bis zu diesem Zeitpunkt selbst das Gebäude errichtet hat und selbst Bauherr war. Hat er das Gebäude "angeschafft" - sprich: per Kauf, Tausch oder Schenkung erworben -, fällt er jedenfalls unter die neuen Beschränkungen, wenn ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird.

Finanzielles Problem Sanierung

Bei Großobjekten mit Banken oder Versicherungen als Mieter sei es bisher schon üblich gewesen, dass dem Vermieter ein finanzieller Ersatz des Vorsteuerentfalls vom Mieter gewährt wurde, erklärt Holzapfel - "gegen aufwändige Verrechnung und Nachweis im konkreten Fall". Im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) mit seinen Mieten-Beschränkungen sei aber fraglich, ob eine solche Rückvergütung zulässig ist. Zum großen finanziellen Problem für Vermieter könne dies insbesondere dann werden, wenn größere Reparaturen oder Sanierungen anstehen, so die beiden Immobilienprofis.

Für Weinberger wird mit dieser neuen USt-Regelung "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", weil nämlich "alles dem Vermieter umgehängt" werde. "Der Vermieter wird es sich in Zukunft mehrfach überlegen, ob er überhaupt mit Ärzten noch einen Mietvertrag abschließt", kündigt der ÖVI-Präsident an. Gleiches gelte für Kleinunternehmer und Jungunternehmer.

Vermieter muss Bestätigung einfordern

Auch beim Kauf eines Hauses, in dem ein unecht steuerbefreiter Unternehmer oder Arzt eingemietet sei, könne der Käufer bzw. spätere Vermieter draufzahlen, weil für den Umfang der an diesen Mieter vermieteten Fläche die Vorsteuer berichtigt werden muss. "Das wird der Markt wohl einpreisen müssen", meint Holzapfel dazu lapidar.

Gänzlich weltfremd sehen die beiden ÖVI-Spitzenvertreter die Anforderung an den Vermieter, vom Mieter im Mietvertrag die Bestätigung einzufordern, dass dieser nicht mehr als fünf Prozent an unecht steuerbefreitem Umsatz macht. "Wie soll das bewerkstelligt werden? Muss der Mieter laufend seine Umsatzsteuerbescheide vorlegen?"

"Freie Vereinbarung der Geschäftsraummieten"

Holzapfel und Weinberger fordern vom Gesetzgeber "dringend" eine entsprechende Reparatur im Steuerrecht. "Die fragwürdigen Umgehungskonstruktionen der öffentlichen Körperschaften hätte man mit der ohnehin erfolgten Verlängerung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes auf 20 Jahre ganz einfach in den Griff bekommen", sagt Weinberger. "Hier wird ein ungeheurer bis undurchführbarer Verwaltungsaufwand produziert, der die Wirtschaft unnötig belastet und der Finanz keinen Mehrertrag bringt."

Außerdem zeige sich damit "einmal mehr, dass die Geschäftsraummiete im Zwangskorsett des Mietrechts keinen Platz hat". Vereinbarungen zwischen Unternehmern würden unmöglich gemacht, dies nütze "weder dem Mieter noch dem Vermieter. Die Geschäftsraummiete sollte generell der freien Vereinbarung unterliegen. Das Abstellen des Mietrechts auf das Datum der Baubewilligung bringt eine Wettbewerbsverzerrung, die keinesfalls mehr zeitgemäß ist", so Weinberger.

"Hat mit Zwangskorsett nichts zu tun"

Für den Steuerrechts-Experten Werner Doralt hat all dies allerdings mit einem etwaigen "Zwangskorsett des Mietrechts" nichts zu tun, wie er auf Anfrage von derStandard.at erklärt. "Die aufgezeigten Probleme - also etwa der Vorsteuerabzug bei Großreparaturen - sind keine Fragen, die durch die Änderungen aufgetreten sind, die gibt es schon bisher. Auch mietrechtlich wird wohl kein Problem bestehen, im Mietvertag zum Beispiel mit einem Arzt zu vereinbaren, dass der anteilige Verlust des Vorsteuerabzuges dem Mieter angelastet werden kann. Wenn hier Bedenken bestehen, wäre das allenfalls im Mietrecht klarzustellen", so Doralt. (Martin Putschögl, derStandard.at, 18.6.2012)