"Ich erfuhr zuerst, wer die anderen Schauspieler sind, und dachte: "Wow! Das ist eine außergewöhnliche Chance." Jane Fonda in "Und wenn wir alle zusammenziehen?" an der Seite von Pierre Richard.

Foto: Luna Filmverleih

Dominik Kamalzadehs Fragen über Lebensfreude, Tod und Nancy Reagan beantwortete sie per E-Mail.

Wien - Fünf Freunde im Herbst des Lebens sind damit konfrontiert, dass der Alltag immer beschwerlicher wird. Der Anarchist in der Runde (Guy Bedos) wirkt in Auseinandersetzungen mit der Polizei etwas ungelenk, der Schwerenöter (Claude Rich) ist dem eigenen Begehren nicht mehr so gewachsen. Albert (Pierre Richard) überspielt mentale Blackouts, während seine Frau Jeanne (Jane Fonda) ihre Krebserkrankung geheim hält. Annie (Geraldine Chaplin) tritt schließlich mit einer ungewöhnlichen Idee auf den Plan: Warum nicht eine Kommune gründen und damit der tristen Alternative Altersheim entgehen?

Und wenn wir alle zusammenziehen? lautet der sprechende Titel von Stéphane Robelins boulevardesker, durchaus beherzt gespielter Komödie, die ihre Figuren durch die Höhen und Tiefen eines sozialen Experiments begleitet und lieber mit schrilleren Tönen operiert, als auf Sentimentalitäten zu setzen.

STANDARD: In "Und wenn wir alle zusammenziehen?" spielen Sie eine Amerikanerin in Frankreich. Sie spricht ungehemmt über Masturbation und Sex. Ich nehme an, das gefiel Ihnen an diesem Part?

Jane Fonda: Ja, denn ich weiß, dass viele ältere Frauen und Männer noch ein aktives und auch befriedigendes Sexualleben haben, obwohl die Gesellschaft allgemein eher dazu tendiert, dies auszublenden oder gar nicht erst anzunehmen. Ich habe, während ich diesen Film gedreht habe, auch ein Buch namens Prime Time geschrieben. Es geht darin um ein gesundes, erfolgreiches Leben im von mir so getauften "Dritten Akt" des Lebens. Der Film gefiel mir, weil er dieselben Themen ansprach.

STANDARD: Woran liegt es denn, dass diese Themen immer noch tabuisiert werden - in den USA kann man sich ein Remake dieses Films kaum vorstellen.

Fonda: Ich könnte mir das durchaus vorstellen. Aber Sie haben recht, in meinem Land gibt es immer noch viel Altersdiskriminierung - man operiert hartnäckig mit bestimmten Stereotypen.

STANDARD: In den 60er-Jahren waren Sie mit "Barbarella" auch eine Ikone der freien Liebe - haben Sie in Jeanne jemanden gesehen, mit dem Sie viel gemeinsam haben?

Fonda: Jeanne und ich teilen viele Dinge, dazu gehört auch die Einstellung gegenüber dem Tod. Wie Jeanne habe ich keine Angst zu sterben. Ich möchte, dass mein Begräbnis eine Feier wird. Jeanne will einen pinken Sarg, und dass die Leute Champagner trinken, wenn sie begraben wird. Ich denke selbstständig über den Tod nach. Ohne den Tod hätte das Leben keinen Sinn, genau wie Stille ohne Lärm keinen Sinn hätte oder Helligkeit nicht ohne die Dunkelheit. Andere Kulturen heißen den Tod willkommen, Mexiko beispielsweise. Jedes mexikanische Fest kennt Geister und Skelette. Ich finde, wir müssen die Realität unserer Sterblichkeit akzeptieren, damit wir das Leben richtig leben, unserem Tod ins Auge schauen, ihn regelrecht einstudieren.

STANDARD: Die Lebenswirklichkeit von Senioren spielt im Kino eine untergeordnete Rolle. Glauben Sie, dass diese Altersstufe fürs Kino interessanter wird?

Fonda: Unbedingt. Als ich mein Buch geschrieben habe, waren Senioren die am schnellsten wachsende demografische Gruppe. Wir leben derzeit um 34 Jahre länger als noch zur Zeit meiner Großeltern, das entspricht einer ganzen zweiten Lebenszeit als Erwachsener! Die Kultur hat mit dieser Entwicklung noch nicht nachgezogen - wir müssen Geschichten erfinden, die diese neue, aufregende Wirklichkeit widerspiegeln.

STANDARD: Eine Kommune zu gründen ist für ältere Semester ja eher eine ungewöhnliche Geschichte. Meinen Sie, dass sich da die 68er-Generation leichter tut?

Fonda: Die 68er-Generation ist da wohl lockerer, aber ich denke, es wäre tatsächlich für viele Menschen eine Lösung. Einsamkeit ist ein Problem für Senioren, der Mangel an Geld ein weiteres. Viele meiner Freundinnen - die jünger als ich sind - sprechen davon, dass sie gerne in einer Gemeinschaft von Frauen ihren Lebensabend verbringen würden. Von Männern habe ich das noch nicht gehört, aber Frauen sind wohl insgesamt mehr an Beziehungen interessiert, hegen tiefere Freundschaften. Aber auch das ändert sich gerade: Jüngere Männer und Jungs in den USA gehen mehr in die Beziehungsrichtung.

STANDARD: "Und wenn wir alle zusammenziehen?" ist ein französischer Film mit Stars wie Claude Rich oder Pierre Richard. Wie war es, eine Beziehung mit einem solchen Ensemble einzugehen?

Fonda: Ich erfuhr zuerst, wer die anderen Schauspieler sind und dachte: "Wow! Das ist eine außergewöhnliche Chance." Dann las ich das Script und sah, wie sehr es meiner eigenen Philosophie übers Alter, aber auch jener, berührend und lustig zu sein, entsprach. Also entschied ich mich dafür.

STANDARD: Wie sehen weitere Pläne aus? Ihre Ankündigung, Nancy Reagan zu spielen, hat in den USA einige Aufregung verursacht.

Fonda: Ich spiele Nancy Reagan in einem Film, der The Butler heißt, es geht um die wahre Geschichte eines schwarzen Butlers, der im Weißen Haus gearbeitet hat und dort mehrere Präsidentschaften erlebte. Forest Whitaker spielt den Part, Oprah Winfrey seine Frau. Ich freue mich darauf, und obwohl Nancy Reagan und ich uns politisch überhaupt nicht nahestehen, werde ich sie in keiner Weise verächtlich machen. Ich bin auch in der Aaron-Sorkin-Serie The Newsroom dabei, die am 24. Juni startet und übrigens das Beste ist, was ich je im Fernsehen gesehen habe. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 19.6.2012)