Brüssel - Die Deutsche Bundesbank hat sich gegen den vom deutschen Sachverständigenrat vorgeschlagenen Schuldentilgungsfonds zur Lösung der Euro-Schuldenkrise ausgesprochen. "Insgesamt gesehen stellt der Vorschlag eines Schuldentilgungspaktes eine umfassende Einführung von gemeinschaftlicher Verschuldung in den nächsten Jahren dar, ohne dass hiermit eine ausreichende Abgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden wäre", schreibt die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht.
"Der Schuldentilgungspakt sieht im Vergleich zu den bisherigen Vereinbarungen alles in allem auch keine grundsätzlich ambitioniertere fiskalische Ausrichtung vor, sodass der Name 'Tilgungspakt', der auf eine besonders ehrgeizige Ausrichtung oder sogar Überschüsse hinzudeuten scheint, hier missverständlich ist", heißt es in dem Monatsbericht. "In einigen Ländern besteht am aktuellen Rand noch erheblicher Konsolidierungsbedarf unter schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umständen. Das Hauptproblem ist hier eher der kurzfristig erwartete Anstieg der Schuldenquote als deren Ausgangsniveau."
Zweifel an rechtlicher Durchführbarkeit
Die Deutsche Bundesbank zweifelt auch an der rechtlichen Durchführbarkeit eines Schuldentilgungspaktes. "Ob eine Umsetzung im Rahmen der bestehenden europäischen Verträge und auch der deutschen Verfassung tatsächlich möglich wäre, erscheint sehr fraglich." Daher seien die Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM deutlich angemessenere Hilfsinstrumente. "Sie sehen strikt konditionierte Hilfen als Ultima Ratio vor und sollten möglichst mit Zinsaufschlägen einhergehen."
Allerdings konzedieren die Bundesbanker auch dass der für Hilfskredite aus dem Euro-Rettungsschirm zu zahlende Zins "zwischenzeitlich weitgehend auf die Finanzierungskosten der Rettungsschirme gesenkt" wurde, er "liegt damit sogar merklich niedriger als der von einigen Hilfe leistenden Staaten". Durch die weitgehende Abschaffung von Zinsaufschlägen seien auch die Anreize, eigenständig solide Staatsfinanzen zu bewahren oder zu erreichen, "deutlich reduziert" worden.
Im Gegensatz zum Schuldentilgungsfonds seien aber bei den Euro-Rettungsschirmen die Hilfen und die Gemeinschaftshaftung zeitlich befristet, und ein Abbau der gemeinschaftlichen Verschuldung sei vorgesehen. "Die mit dem Schuldentilgungspakt vorgeschlagenen Absicherungsinstrumente könnten auch im EFSF/ESM-Rahmen eingefordert werden, und ein Stopp der Hilfszahlungen bei Nicht-Einhaltung der Konditionalitäten ist auch hier vorgesehen." Von einer weiter gehenden gemeinschaftlichen Haftung warnt die Bundesbank. "Eine weitreichende Gemeinschaftshaftung wie im Schuldentilgungspakt wäre nur mit einer umfassenden Reform des Ordnungsrahmens der EWU (Europäischen Währungsunion, Anm.) hin zu einer Fiskalunion zu rechtfertigen, die der Vergemeinschaftung vorangehen müsste."
Wie bei allen Formen der Gemeinschaftshaftung käme es bei einem Schuldentilgungsfonds zu "erheblichen Umverteilungen von bonitätsstarken zu bonitätsschwachen Ländern", warnen die Bundesbanker. Deutschland etwa, das sich derzeit zu unterdurchschnittlichen Kosten am Kapitalmarkt finanzieren kann, müsste nicht nur für die gemeinsam verbürgten Kredite über der 60 Prozent-Schwelle höhere Zinsen aufbringen, sondern auch für die restlichen eigenen Verbindlichkeiten. (APA, 18.6.2012)