Wien - Den Körper in den Kampf werfen, wird immer öfter zum Tanzthema. Dass dabei auch gesellschaftliche Brüche sichtbar werden, ist nicht selbstverständlich. Bei den drei Arbeiten indes, die den Abend " Werkstück" bilden, funktioniert das ganz gut. Die darin angedeuteten Bruchlinien verlaufen teils unterhalb der medialen Informationsoberflächen. Dargestellt werden Komplikationen, für deren Reflexion im Alltagsgetriebe meist keine Zeit bleibt. Und dahinter sind Widerstandsstrategien gegen die Ziele des Aufbegehrens versteckt.
Dass "etwas aufbrechen" kein Gewaltakt mehr sein muss, beweisen Anna Prokopová und Petr Ochvat in einem Breakdance dance (Full Version) und die Gruppe Martin & The Evil Eyes of Nur mit Starlight is made up of particles and waves - Part 1 (particles).
In dem Solo von Prokopová wird der Break Dance nicht dekonstruiert, sondern mit Sorgfalt aufgelöst. Diese "Full Version" - ein gelungener Tauchgang unter den akrobatischen Leistungsdruck. Doch das Stück kann mehr: Es schafft Raum und Ruhe. Also Widerstandsstrategie Nummer eins: Sensibilität zulassen. Martin & The Evil Eyes of Nur nehmen sich ein Stereotyp der Genderperformance vor: Mann mit Stöckelschuh. Daniel Massow und Wolfgang Tragseiler versuchen unter der Choreografie von Nora Kurzweil einen Drahtseilakt mit Dilettantismus. Zwei Drags in Overalls und mit High Heels schwindeln sich durch eine Ausnüchterungszelle der Transgender-Romantik. Widerstandsstrategie Nummer zwei: Stereotypen knicken.
Und dann Waltraud Brauner, Christina Huber und Stefanie Sternig. Sie rennen in Krawalle und Hiebe gegen einen Vorhang, einen ungerührt bleibenden Hintergrund - als nicht zu Bändigende gegen die Klippen eines Systems. Mit Kreide zeichnen sie die Muster des "Krawalls" nach, und mit Gesten drohen sie. Widerstandsstrategie Nummer drei: Nie aufgeben. (ploe, DER STANDARD, 16./17.6.2012)