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Mexiko City.

Foto: EPA/SASHENKA GUTIERREZ

Fast geräuschlos bahnt sich die "trajinera", der buntbemalte Stocherkahn, seinen Weg durch die Kanäle von Xochimilco. Vögel zwitschern, Bauern ernten auf den schwimmenden Inseln im Süden von Mexiko-Stadt Blumenkohlköpfe in Fußballgröße. Hier mutet Mexiko-Stadt noch an wie das ökologische Paradies, bei dessen Anblick der spanische Eroberer Hernán Cortés verzaubert innehielt.

Wie das Venedig Amerikas wirkte die Lagunenstadt, deren aztekische Tempel in der glasklaren Bergluft schon von weitem zu erkennen waren. Doch das ist 500 Jahre her. Der Niedergang nahm unter den Spaniern seinen Anfang, die die Kanäle trockenlegten, weil diese als Moskito- und Krankheitsherde galten. So änderte sich das Klima im Tal von Mexiko.

Trotzdem blieb Mexiko-Stadt noch über Jahrhunderte hinweg ein Luftkurort. Ab den 60er-Jahren ging es dann rapide bergab: infolge einer massiven Zuwanderung, die die Zahl der Bewohner auf 20 Millionen anschwellen ließ und jene der Autos auf 4,8 Millionen.

Keine 20 Jahre später war die mexikanische Hauptstadt Sinnbild für urbane Apokalypse. Fußgänger schlängelten sich mit Atemschutzmasken durch den Höllenverkehr; auf den achtspurigen Boulevards herrschte Dauerstau; über das städtische Chaos aus Stromkabeln, halbverputzten Häusern und bunten Werbewänden legte sich eine Glocke aus Dunst, Staub und Smog.

Um vier Grad ist die Temperatur im Valle de Mexico in den vergangenen 100 Jahren gestiegen, wie Wissenschafter ermittelten - weltweit sind es 0,6 Grad. Auf der auf 2200 Meter liegenden, von Bergen umgebenen Hochebene herrschen nahezu Laborbedingungen zur Demonstration des Treibhauseffekts. Und das ist beileibe nicht das einzige Umweltproblem.

Wasser wird knapp

Der Baugrund auf der trockengelegten Lagune ist instabil, bis zu acht Meter hat sich die Erde an manchen Stellen abgesenkt. Das Wasser, das aus entfernt liegenden Stauseen stammt, wird immer knapper. Die Hälfte versickert unterwegs aufgrund brüchiger Rohre. In der Trockenzeit wird das ohnehin nicht trinkbare Leitungswasser von den Stadtwerken rationiert, in der Regenzeit stehen die Straßen unter Wasser, weil das Kanalsystem von den Wassermassen überfordert ist.

Derart dramatisch war die Situation, dass selbst die Politiker nicht mehr wegschauen konnten. In den vergangenen zehn Jahren gab es Fortschritte: dank der Einführung von Filtern für Fabrikschlote, dank des bleifreien Benzins, dank einer mexikanischen Abgassonderuntersuchung und eines Fahrverbots an einem Tag der Woche konnte die Abgasbelastung deutlich gesenkt werden.

Heute gibt es in der Innenstadt Fahrradwege und öffentliche Radstationen. Das U- und S-Bahn-Netz wurde ausgebaut, ein Schnellbussystem eingeführt, die stinkenden Kleinbusse wurden durch umweltfreundlichere moderne Busse ersetzt. Aus den Supermärkten wurden die Plastiktüten verbannt, und die Kanalisation wurde ausgebaut. Mit Werbekampagnen versuchen die Behörden Umweltbewusstsein und den schonenden Umgang mit Ressourcen zu fördern.

Heute kann man an manchen Tagen sogar wieder die 60 Kilometer entfernten Gipfel der Vulkane Popocatépetl und Ixtaccíhuatl sehen - ein Ding der Unmöglichkeit vor zehn Jahren. Doch nicht alles ist umweltpolitisch durchdacht. So kam beispielsweise der linke Exbürgermeister und aktuelle Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador vor acht Jahren auf die Idee, einen zweiten Stock auf die Autobahn zu bauen, damit der Verkehr besser fließt. Doch jener geriet bald an seine Grenze, denn die Mittelschicht wächst - desgleichen die Zahl der Autos. Darum ist die Hauptstadt derzeit wieder eine Baustelle: Man bastelt an einem dritten Stock. (Sandra Weiss aus Mexiko-Stadt, DER STANDARD, 16./17.6.2012)