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Bischofschef Robert Zollitsch will Rebellen treffen.

Foto: EPA/PATRICK SEEGER

Seit 50 Jahren ist die Frau aus Freiburg im Breisgau (Baden-Württemberg) verheiratet. In die Kirche geht sie regelmäßig, doch die Kommunion dürfte sie eigentlich nicht bekommen. Denn: Es ist die zweite Ehe der Frau, sie hat sich vor mehr als 50 Jahren von ihrem ersten Partner scheiden lassen.

Dennoch: Ein Freiburger Pfarrer berichtet, dass er ihr das Sakrament "mit gutem Gewissen" erteilt - auch wenn er damit gegen geltendes Kirchenrecht verstößt. Und dies ist nicht der einzige Ungehorsam des Gottesmannes. Gemeinsam mit 190 anderen Priestern der Erzdiözese Freiburg - der zweitgrößten in Deutschland - hat er eine Erklärung unterzeichnet, in der die Katholische Kirche aufgefordert wird, auch wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen.

Wirbel

"Wir bringen mit unserer Unterschrift zum Ausdruck, dass wir uns in unserem pastoralen Handeln gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen von der Barmherzigkeit leiten lassen", heißt es in der Erklärung. Die Rebellen räumen auch ein: "Uns ist bewusst, dass wir damit oft gegen derzeit geltende kirchenrechtliche Vorschriften der römisch- katholischen Kirche handeln."

Einen derartigen Protest hat es in Deutschland noch nie gegeben, der Freiburger Pfarrer Konrad Irslinger erklärt die Motivation so: "Wir haben uns geoutet, denn wir leiden an dieser Situation. Was wir tun, ist nicht erlaubt, und wir können diesen Spagat nicht mehr halten." Die Unterzeichnung sorgt auch für entsprechenden Wirbel. Zunächst versuchte Robert Zollitsch, der nicht nur Chef der Deutschen Bischofskonferenz, sondern auch Erzbischof von Freiburg ist, die Initiative zu ignorieren. Danach folgte der Versuch der Disziplinierung durch Generalvikar Fridolin Keck.

Dieser schrieb den Mitbrüdern in Zollitschs Namen einen Brief und ersuchte sie, ihre Unterschrift zurückzuziehen beziehungsweise das Memorandum nicht zu signieren: "Eine Positionierung zum jetzigen Zeitpunkt und unter dem Vorzeichen, dass die Unterzeichner sich bewusst über das Kirchenrecht hinwegsetzen, halten wir für kontraproduktiv." Genützt hat es wenig, auf der Homepage der Unterzeichner werden nur zwei Rückzieher vermeldet.

Treffen

Überraschend hat Zollitsch nun zugesagt, sich nächste Woche mit den unzufriedenen Priestern zu treffen. Dabei wird Zollitschs Zwickmühle wohl deutlich werden. Denn der Chef der Bischofskonferenz selbst ist auch dafür, dass Katholiken nach Scheidung und Wiederheirat die Kommunion empfangen können. Erst im Mai hatte er erklärt, dass es bei diesem Thema "Geduld und einen langen Atem" brauche und dass er selbst "mit ganz verschiedenen Stellen im Gespräch" sei. "Es ist uns allen bewusst, dass Zollitsch innerlich auf unserer Seite ist", sagt Pfarrer Irslinger. Aber Aufruhr will Zollitsch offensichtlich auch nicht billigen.

Er ist im Februar übrigens leer ausgegangen, als Papst Benedikt XVI. zwei weitere Deutsche in das Kardinalskollegium aufnahm. Die Würden wurden dem Opus-Dei-nahen Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelkli und dem Jesuiten Karl Josef Becker verliehen, nicht aber Zollitsch. Auch in Deutschlands größtem Bistum, dem Erzbistum Köln, regt sich Widerstand. Eine Gruppe von Priestern hat dem konservativen Kardinal Joachim Meisner einen Brief geschrieben und erklärt, dass sie die österreichische Pfarrer-Initiative und den "Aufruf zum Ungehorsam" unterstützt.

Meisners Meinung zum Thema Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene ist jedenfalls eindeutig: "Die Unauflöslichkeit der Ehe gilt für alle Stände und für alle Repräsentanten der Gesellschaft. Sie wissen ja, dass die Kirche ganz England verloren hat, weil sie gegen Heinrich VIII. an der Unauflöslichkeit der Ehe festgehalten hat." (Birgit Baumann, DER STANDARD, 16./17.6.2012)