DER STANDARD-
Schwerpunktausgabe Rio

Alexander Egit: "Instrumente für den Klimaschutz haben versagt."

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Alexander Egit Anfang der 90er-Jahre. Rio '92 war ein Meilenstein - die Probleme haben sich aber seither verschärft.

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STANDARD: Sie waren bereits vor 20 Jahren Mitglied der österreichischen Rio-Delegation. Was ist Ihre wichtigste Erinnerung an die Weltkonferenz?

Egit: Dass die Themen Umwelt und Entwicklung erstmals bei einer Konferenz gemeinsam behandelt wurden. Und es gab erstmals einen alternativen Gipfel, das Rio-Forum, wo Menschen einen Zugang zur Konferenz hatten, die vorher noch nie eine Gelegenheit hatten aufzutreten. Es war eine Begegnung der bis dahin getrennten Welten - der Umwelt- und der Entwicklungsbewegung. Und das ergänzt durch den Menschenrechtsaspekt - das war eine zentrale Erfahrung.

STANDARD: Welche Rolle konnte Österreich damals spielen?

Egit: Eine recht wichtige. Wir waren damals ja noch nicht Mitglied der Europäischen Union. Und es kamen Vertreter indigener Völker aus dem brasilianischen Amazonas, die Zugang zum offiziellen Konferenzort bekommen wollten. Sie hatten aber keine Chance, eine Pressekonferenz zu veranstalten. Also hat Österreich nach einer sehr starken Initiative der beteiligten NGOs eine eigene Pressekonferenz angemeldet - auf der dann die Vertreter der indigenen Völker sprechen konnten.

STANDARD: Nach 20 Jahren sind Sie heuer wieder Mitglied der österreichischen Rio-Delegation. Was sind diesmal Ihre Erwartungen?

Egit: Die sind nicht sehr hoch. Das Problem ist: Zum Unterschied zu Rio 1992 - wo konkrete Konventionen auf dem Programm waren - stehen diesmal keine konkreten Beschlüsse an. 1992 waren wir zunächst eigentlich ein bisschen enttäuscht. Aber im Nachhinein betrachtet waren das Meilensteine in der Geschichte der Umwelt- und Entwicklungspolitik. Die heurige Rio-Konferenz reiht sich hingegen leider ein in eine Serie von internationalen Treffen, die sehr schlecht verlaufen sind. Daher gibt es inzwischen bereits Menschen, die nicht mehr von Rio-plus-20, sondern von Rio-minus-20 sprechen.

STANDARD: Gibt es Hoffnungsschimmer?

Egit: Es wird mit größter Wahrscheinlichkeit ein Prozess gestartet, um eine bessere institutionelle Verankerung der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen. Da gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Die eine wäre, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen zur Uneo aufzuwerten - also zu einer Organisation der Vereinten Nationen, wie die Unesco oder die Unido. Falls dies scheitert, gibt es den zweiten Plan, einen Hochkommissar für zukünftige Generationen zu schaffen.

STANDARD: Das ist alles?

Egit: Ein paar Punkte können noch beschlossen werden in Rio. Der aus meiner Sicht wichtigste ist eine Seerechtskonvention. Die United Nations Convention on the Law of the Seas, Unclos, die in Rio diskutiert wird. Die ist deshalb so wichtig, weil der Großteil der Meeresflächen ja nicht Hoheitsgewässer sind, sondern hohe See. Und bisher gibt es keine Konvention, die Hochseegebiete schützen würde. Diese Gebiete sind einer Ausbeutung der Rohstoffe und Fischbestände vollkommen ungeschützt in Wildwestmanier ausgeliefert. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Millennium-Ziele laufen 2015 aus. Diese Milennium Development-Goals sollen jetzt in Sustainable Development Goals umgewandelt werden. Dafür soll in Rio ein Fahrplan erarbeitet werden.

STANDARD: Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren grundsätzlich in der Klimapolitik geändert?

Egit: Das Kernproblem ist, dass wir trotz der Beschlüsse, die Emissionen der Treibhausgase zu begrenzen, 2011 das Jahr mit dem höchsten Ausstoß aller Zeiten hatten. Das ist ein ganz, ganz schlechtes Zeichen, weil es ganz offensichtlich nicht gelungen ist, die CO2-Emissionen vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Was man daraus schließen muss, ist, dass die Instrumente, die man sich überlegt hat, komplett versagen. Zum Beispiel das Zertifizierungssystem vom Kioto-Protokoll, das grundsätzlich sehr gut ist, weil es dem CO2-Verbrauch einen Preis zuordnet. Nur ist dieser Preis unzureichend, und wenn das Preissignal nicht stark genug ist, ist es auch nicht wirksam.

STANDARD: Umweltpolitik über die Preisschraube?

Egit: Diese Maßnahmen müssen auch ökonomisch Sinn machen. Peak Oil zum Beispiel ist eine ökologische, aber vor allem auch eine ökonomische Frage. Und zunehmend auch eine politische Frage. Die chinesische Regierung etwa weiß genau: Sie haben der Bevölkerung wachsenden Wohlstand versprochen, können den aber à la longue nicht auf einer fossilen Basis garantieren. Nordafrika hat gezeigt: Wenn man nicht mehr in der Lage ist, Ressourcen zu sichern, verstehen die Leute keinen Spaß mehr. Dass es zu Veränderungen kommen muss, steht ja außer Zweifel. Die Frage ist nur: Wie schnell sie geschehen werden.

STANDARD: Welchen Sinn haben solche Konferenzen überhaupt noch? Sie werden inzwischen von Persönlichkeiten wie Dennis Meadows scharf kritisiert.

Egit: Man darf eines nicht vergessen: Von den 50.000 Menschen, die vermutlich in Rio sein werden, sind 90, 95 Prozent vollkommen davon überzeugt, dass für diesen Planeten etwas zu tun ist. Ich halte es für extrem wichtig, dass wir Schauplätze haben, wo man über die Zukunft des Planeten reden und Maßnahmen diskutieren kann. Sonst ist eine internationale Entwicklung nur noch sehr schwer möglich. Und die andere Dimension ist jene, was die einzelnen dann zu Hause machen.

STANDARD: Inwieweit kann man sagen: Lesson learned, wenn der österreichische Umweltminister sich darüber freut, dass er billige CO2-Zertifikate einkaufen konnte?

Egit: Österreich hat ein Problem: Bei internationalen Verhandlungen treten wir sehr progressiv auf. Wir erklären der ganzen Welt, was sie zu tun hat, aber schaffen es nicht, unsere Hausaufgaben in Österreich zu erledigen. Das darf man nicht unterschätzen. Denn die Entwicklungsstaaten sagen inzwischen: Ihr seid total doppelbödig. Dass Österreich etwa fünf Milliarden Euro beim Tanktourismus einnimmt durch geringere Dieselpreise - und auf der anderen Seite zahlen wir 500 Millionen für Strafzertifikate. Wie Österreich hier agiert, ist geradezu unfassbar. Es wird geredet von Energieautarkie - aber faktisch verhalten wir uns in Energie- und Klimaschutzfragen einfach unanständig.

STANDARD: Wenn die Politik nicht antreibt - kann eine Green Economy zum Motor werden?

Egit: Green Economy wird ein Thema in Rio sein - aber das wird von den Entwicklungsländern auch sehr kritisch gesehen. Weil die natürlich fragen: Was soll das heißen? Grüne Atomtechnologie? Grüne Kohle? Da wird schon nachgefragt, wo in der Substanz eine nachhaltige Entwicklung passiert - oder ob bestimmte Unternehmen nur Greenwashing betreiben. Oft sind ja grüne Behübschungsmaßnahmen in Wahrheit ja nur eine Verteidigung gegen internationale Regulierungen. Die Entwicklungsländer werfen uns vor: Ihr sorgt daheim für eine Green Economy - und verlagert die schmutzige Produktion zu uns. Die Produkte werden in Österreich konsumiert - aber die CO2-Belastung wird beispielsweise China angerechnet, weil die Waren dort produziert wurden.

STANDARD: Das sind in Summe keine guten Vorzeichen.

Egit: Ich sehe keine Chance, dass eine Fortschreibung des 2012 auslaufenden Kioto-Protokolls gelingen könnte. Ein weiteres Problem ist, dass die Konferenz nicht prominent genug besetzt ist. Weder Obama noch Merkel noch Cameron fahren hin. Obwohl am 18. und 19. Juni ein G-20-Treffen stattfindet, bei dem die alle sind. Für die wirtschaftliche Zukunft trifft man sich - aber nicht für die wichtigen Themen Umwelt, Soziales und Menschenrechte. Das ist ein fatales Zeichen.

STANDARD: Wo wollen Sie persönlich in Rio antreiben?

Egit: Es gibt ja noch ein wichtiges Thema in Rio: Laut einer Greenpeace-Berechnung gehen jährlich 750 Milliarden Euro an Subventionen in umweltschädliche Produktionen. Rund die Hälfte davon ist im Energiebereich angesiedelt. Das Problem dabei ist, dass damit Industrien gefördert werden, die im Zentrum dessen stehen, dass es bei internationalen Konferenzen keine ordentlichen Ergebnisse mehr gibt. Das sind multinationale Konzerne, deren Hauptziel es ist, bei Regierungen zu erreichen, dass es keine Regulierungen gibt, damit ihre globalisierte Form des Wirtschaftens weitergeführt werden kann.

STANDARD: Was kann der österreichische Beitrag dazu sein?

Egit: Damit da kein Missverständnis entsteht: Österreich ist da um nichts besser. Da gibt es jährlich bis zu 5,4 Milliarden Euro an umweltschädlichen Förderungen. Da gehört das gesamte Budget durchforstet und gekürzt. Und was natürlich überhaupt nicht geht, ist, dass ein Land wie Österreich gerade nach Rio fährt - und einem Unternehmen wie Andritz einen Staatspreis für Umwelt verleiht. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Völker des Amazonas, die sich gegen das Monsterkraftwerk Belo Monte zur Wehr setzen. Dass es von Umweltminister Berlakovich noch kein Signal in Richtung Andritz gibt, sich daran nicht zu beteiligen, wird Österreich sicher auch Probleme bereiten in Rio. Da wird man vor allem beim People-Summit aufpassen müssen, dass man nicht mit dem nassen Fetzen davongejagt wird. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, 16./17.6. 2012)