Dieses Bild vom 15. Juni zeigt die aktuelle Höhe des "DC Tower 1".

Foto: Putschögl

Diesen Sonntag ist es zwei Jahre her, dass mit dem Bau des "DC Tower 1" auf der Wiener Donauplatte begonnen wurde. Zunächst wurde 40 Meter in die Tiefe gearbeitet, mittlerweile sind die baulichen Fortschritte für regelmäßig vorbeikommende Beobachter unübersehbar: Vor kurzem hat das Bauwerk die Höhenmarke von 150 Metern überschritten.

Höchstes Gebäude ab September

Läuft alles nach Plan, wird der Turm ab Anfang September den "Millennium Tower" ohne Antennenaufbauten, also nach der reinen Gebäudehöhe von 171 Metern, überragen. Die Gesamthöhe des Millennium Tower von 202 Metern sollte eineinhalb Monate später erreicht werden - dann ist der "DC Tower" also das höchste Gebäude Österreichs (das höchste Bauwerk bleibt mit 252 Metern der Donauturm, Anm.).

Etwas anders sind die Erfolge bei der Vermietung der 93.600 Quadratmeter Bruttogeschoßflächen, davon 66.000 Quadratmeter an vermietbarer Fläche, gelagert. Nach Auskunft des Projektbetreibers WED (Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum) sind aktuell erst "knapp über 50 Prozent" vermietet. Zuletzt wurde im vergangenen September mit der Firma Baxter ein neuer Großmieter bekanntgegeben, seither hat sich wenig getan.

Schwierige Vermietung war für Experten "zu erwarten"

Für professionelle Beobachter wie den Wiener Städtebau- und Raumplanungs-Experten Reinhard Seiß ist das freilich keine Überraschung. "Dass die Vermietung ein Problem werden dürfte, war angesichts der Büroleerstandsrate in Wien zu erwarten." Seiner Einschätzung nach ist der Turm "wohl aus der Notwendigkeit heraus errichtet worden, einen existierenden Vertrag mit einem Hotelbetreiber zeitgerecht zu erfüllen". Dieser Vertrag zwischen der WED und der spanischen Kette Sol Meliá umfasste 255 Zimmer auf 15 Stockwerken bzw. 18.300 Quadratmetern. Sol Meliá wird im "DC Tower 1" mit der Marke "ME" vertreten sein.

Dass nun wegen 15 vertraglich vereinbarter Geschoße weitere 45 Geschoße gebaut werden "müssten", sei eben einer von mehreren Gründen, die gegen einen solchen großmaßstäblichen Städtebau sprächen, so Seiß. Wobei "Städtebau" eine ganzheitliche und zumindest mittelfristige Planung voraussetzen würde, die auf der Donauplatte fehle: "Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan aus dem Jahr 1995 sah dort Gebäudehöhen von maximal 120 Metern vor. Mit der später genehmigten Höhe von 220 Metern wurden dann aber die Wünsche der Betreiber erfüllt."

"Alles andere als ein Erfolg"

Weil der Wiener Büromarkt seit Jahren am Boden ist - es wird aktuell nicht mehr vermietet, als neue Flächen auf den Markt kommen, was die Leerstandsrate heuer auf 6,3 Prozent neuerlich ansteigen lassen dürfte -, haben die Entwickler gehörig zu kämpfen, den Turm bis zum geplanten Bezug im September 2013 voll zu kriegen. Von "Schlange stehenden Mietern" wird in der Branche bereits sarkastisch gewitzelt, unter anderem bei der kürzlich erfolgten Verleihung der Immobilienmarken-Awards. Dort wurde "Vienna DC" zwar zur Marke des Jahres in der Kategorie "Standorte" gewählt - von der Geschäftsführung ließ sich bei der Verleihung aber trotz geografischer Nähe niemand blicken.

Richtig dramatisch sehen die Vermietungssituation freilich nicht alle Beobachter, wenn auch möglicherweise aus reinem Zweckoptimismus. Wolfgang Scheibenpflug, Gewerbeimmobilien-Experte bei EHL Immobilien, nennt den aktuell 50-prozentigen Vermietungsgrad einen "herzeigbaren Wert". Diese Wortwahl unterstützt auch ein bekannter Wiener Makler, der nicht genannt werden will - allerdings nur hinsichtlich des derzeitigen Marktzustands. Tatsächlich sei ein solcher Vermietungsgrad beim derzeitigen Baufortschritt "alles andere als ein Erfolg. Die Entwickler können damit sicher nicht zufrieden sein."

Zweiter Turm fraglich

Ein wenig Zeit bleibt ja noch. Bis Ende des Jahres soll zunächst der Rohbau des "DC Tower 1" fertig sein. Für die Firma Baxter, die auf sieben Stockwerken insgesamt 8.500 Quadratmeter beziehen wird, soll eine "frühzeitige Inbetriebnahme" per März 2013 gewährleistet werden, heißt es von der WED. "Je nach Verwertungsstand" soll der ganze Tower dann "rund um Herbst 2013" fertiggestellt sein.

Dass es auch zum Bau des mit 168 Metern wesentlich kleineren zweiten Turms kommen wird, halten Beobachter zumindest derzeit für unwahrscheinlich. Vonseiten der Entwickler heißt es dazu vage, das Projekt "DC Tower 2" - ursprünglich wichtiger Bestandteil des Masterplans des französischen Stararchitekten Dominique Perrault - werde "von der wirtschaftlichen Situation und der Nachfrage" abhängen.

Für Stadtplaner Seiß ist es aber gar nicht so unwahrscheinlich, dass der kleinere Turm trotz der schleppenden Vermietung des "DC Tower 1" noch gebaut wird. "Zum einen kann sich der Immobilienmarkt alle paar Jahre ändern, und zum anderen sind die Entscheidungen der Immobilienwirtschaft nicht immer rational nachvollziehbar." Er nennt im Gespräch mit derStandard.at das "Marximum" in der Modecenterstraße im 11. Bezirk ("Erdberger Mais") als Beispiel für ein neues Büroobjekt, in dem "tausende Quadratmeter leerstehen". Auch in unmittelbarer Nachbarschaft zum "DC Tower 1", im "Saturn Tower" auf der Donauplatte, stünden seit Jahren "gehörige Flächen" leer, so der Experte. (Martin Putschögl, derStandard.at, 16.6.2012)