Viele Zyprioten begegnen der turbulenten Geschichte ihres Landes mit einer Mischung aus mediterraner Melancholie und Resignation. Aphrodite- Felsen vor Paphos.

Foto: Corbsi/Riccardo Spila

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Basilika San Lazzaro in Larnaka

Anreise: Direkt von Wien-Schwechat nach Larnaka fliegen sowohl die Cyprus Airways als auch AUA bzw. Lufthansa. Ein Fensterplatz eröffnet während des Fluges monumentale Szenen der griechischen Gebirgslandschaft. Insgesamt ist mit drei Stunden reiner Flugzeit zu rechnen. Für all jene, die sich ein Bestehen im Linksverkehr zutrauen, sorgt nach der Ankunft die Anmiete eines Leihautos für die nötige Mobilität zwischen den verstreuten Städten Zyperns. Für kürzere Distanzen - und wenn es nicht gerade ins Gebirge geht - reicht das Fahrrad.

Unterkunft: In der Nähe von Agia Napa empfiehlt sich besonders das Hotel Grecian Park - aufgrund der großen Distanz zur Stadt hat man hier trotz des nächtlichen Trubels eine ruhige Zeit. Fünf Gehminuten von der beschaulichen Konnos Bay entfernt, werden sich hier vor allem Plantscher, Taucher und sonstige Wasserratten pudelwohl fühlen.

Foto: Hotel Grecian Park

Gleichsam auf der anderen Seite der Insel, in Paphos, bauen die Constantinou Bros. an ihrem Hotelimperium. Ihr bislang vierter Streich, das Asimina Suites Hotel, gewährt all jenen ein Obdach, die es gern verschwenderisch luxuriös haben.

Foto: Asimina Suites Hotel

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Nikosia in Südzypern

Zusätzliche Infos: Auf Zypern sind frühes Christentum und griechische Mythologie regelrecht kollidiert. Abgesehen von zahlreichen byzantinischen Scheunenkirchen findet sich etwa in Larnaka die zu Ehren des von Jesus Wiedererweckten erbaute Lazarus-Kirche. Vor Paphos wiederum liegt jene Felsformation, inmitten derer die Liebesgöttin Aphrodite aus dem Meer gestiegen sein soll. Wer lieber kulinarisch unterwegs ist, findet in den Bäckereien, Imkereien, Käse reien und Keltereien des Troodos-Gebirges Gelegenheit, sich in traditionelle Methoden der Nahrungs herstellung einweihen zu lassen.

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Am meisten ärgert man sich bei der Cyprus Tourism Organisation, wenn Zypern für ein Dritte-Welt-Land gehalten wird. Wenn etwa Anfragen kommen in der Art von: "Gibt es auf Zypern auch Autos?" Oder: "Sind Zyperns Straßen asphaltiert?"

Da verliert selbst Zak Papadopoulos, Direktor der Organisation, schon einmal die Contenance des gemütlichen Südländers: "Die Infrastruktur hier ist nicht schlechter als im ländlichen Österreich!" Den einzigen Unterschied bilden wohl nur die Fallstricke des Linksverkehrs, den die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien den Zyprioten hinterlassen hat. Und natürlich die "Rote Gefahr" - so lautet die süffisante Bezeichnung der Ansässigen für die Leihautos der Touristen, die während der Hochsaison - mit knallroten Nummernschildern gekennzeichnet - in regelrechten Schwärmen den zyprischen Verkehr lahmlegen.

Den Stempel ihrer einstigen Präsenz prägten die britischen Besatzer allerdings nicht nur der Straßenverkehrsordnung auf. Ihre koloniale Dominanz ist nie gänzlich geschwunden, und mancherorts ist sie gar so vital wie je. Etwa wenn man vom Flughafen in Larnaka aus die Südküste entlang in Richtung Agia Napa fährt. Unweigerlich durchquert man dabei eine der beiden zypriotischen Militärbasen, deren Fahnenstangen nicht von der Flagge Zyperns, sondern vom Union Jack geziert werden - gleichsam der Preis für die Unabhängigkeit von 1960.

Angesprochen auf die britischen Streitkräfte können viele Zyprioten einen unterschwelligen Groll nicht verhehlen. Einen wirklichen Ausfall verbietet ihnen jedoch ihr leises Temperament. Also nehmen sie es mit Humor und belustigen sich an den architektonischen Fauxpas der Militärsiedlungen, bei deren Errichtung die unglückseligen Engländer lieber den ihnen gewohnten Hausbau importieren, anstatt ihre Häuser dem zyprischen Klima anzupassen: "Ohne Terrasse und ohne Pergola. Jetzt sitzen sie drinnen und schwitzen."

Dennoch, bei allem Argwohn gegen die Militärs, bleibt Zypern zumindest ökonomisch massiv auf die ehemalige Kolonialmacht angewiesen. Die Haupteinnahmequelle der Insel ist der Tourismus, dessen Kundschaft sich zur Hälfte aus betuchten Briten rekrutiert. Sofern sie keine Uniform tragen, werden sie hier herzlich und in perfektem Englisch willkommen geheißen.

Etwa von den unzähligen Clubkeilern in Agia Napa. Der Ort präsentiert sich als vom Massentourismus entseeltes Potemkinsches Dorf, dessen Bewohner sich ins Suburbane zurückgezogen haben. Ihre Eigenheime im Stadtinneren werden nun meist als Etablissements der nächtlichen Erheiterung genutzt. Längst schon ermöglichen die Party-Auswüchse hier keinen autochthonen Alltag mehr.

In starkem Kontrast dazu findet sich, umringt von all dem Treiben, im Ortskern das mittelalterliche Kloster Unserer Lieben Frau der Wälder, dessen duldendes Anwesen in den bald 500 Jahren seit der Erbauung um 1530 seine steinerne Würde gewahrt hat. Ein bemerkenswertes Plätzchen der Einkehr und Besinnung bildet dabei die in Fels geschlagene Höhlenkirche, um die herum zunächst das Kloster und schließlich auch die ganze Stadt errichtet worden war.

Monster und Orchideen

Gelegenheit zum beschaulichen Rückzug bietet auch das pittoreske Umland Agia Napas. Vor allem das Naturschutzgebiet Kap Greco regt mit seinen von Thymian und Orchideen gespickten Wanderwegen und den in ausgewaschenen Sandstein gefalteten Meereshöhlen zur lustvollen Erkundung an. Das Kap ist der südöstlichste Punkt Europas. Von Israel ist man hier rund 130, von Syrien bloß 90 Kilometer weit entfernt. Das türkisblaue Küstenwasser ist angeblich das sauberste im ganzen Mittelmeer, wenngleich darin der Legende nach ein Seeungeheuer sein Unwesen treibt. Von den ansässigen Fischern wird das Tier wohlwollend "Friendly Monster" genannt.

Die Landfläche Zyperns ist in etwa so groß wie jene Kärntens. Dennoch wurde der kleinen Insel ihre Brückenfunktion zwischen drei Kontinenten nicht nur einmal zum Verhängnis. Ob seiner geopolitisch günstigen Lage fand sich das Eiland wiederholt in den Netzen imperialistischer Bedürfnisse verfangen - sodass es nach der Entkolonialisierung lediglich 14 Jahre dauerte, bis die Türkei den Reibereien zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe Zyperns durch einen Invasionskrieg ein drastisches Ende gesetzt hat. Seitdem ist die Insel geteilt. Das Grenzterritorium wird von den Blauhelmen verwaltet. Und der EU-Beitritt des Landes im Jahr 2004 galt de facto nur für den griechischen Südteil der Insel.

Viele Zypern-Griechen begegnen der turbulenten Geschichte mit einer Mischung aus mediterraner Melancholie und Resignation. Sie wirken müde und desinteressiert. Geblieben ist ihnen allerdings ihre innige Erdverbundenheit, die Liebe zum Rustikalen, zur Küche und zum Wein. Und natürlich das große Verlangen, sich diesen Sonnenseiten ihrer Kultur hinzugeben.

Andreas Kyriakides ist einer von ihnen. Der Bergwinzer diente dem zypriotischen Staatsapparat 15 Jahre lang als Weinanalyst am önologischen Amt von Limassol, ehe er die halbtrockene Theorie in Praxis umsetzte und im Troodos-Gebirge das Qualitätsweingut Vouni Panayia erbaute. Jährlich werden hier rund 300.000 Flaschen produziert.

Dabei wirkt Kyriakides wie das genaue Gegenteil eines Geschäftsmanns. Der zerzauste Haarkranz, gepaart mit einem schiefen Blick und zwei aufgekrempelten Hemdsärmeln ließen genauso gut einen Abkömmling der platonischen Akademie erahnen. Dass er den Wein liebt, nimmt man ihm jedoch sofort ab.

Fernab von den Mühlen des Beamtentums in den urbanen Niederungen beschwört er nun auf der Veranda seines Anwesens das gute Leben und schwenkt vollauf zufrieden sein Meisterwerk: den aus der lokalen Maratheftiko-Traube gewonnen Rotwein Barba Yiannis, gereift in französischer Eiche, abgefüllt 2002.

Allein, neben derlei Erfolgsgeschichten verbreitet sich unter Zyperns Gipfeln immer wieder auch Tristesse. Die Landflucht der vergangenen Jahrzehnte zog die Erhaltung der unzähligen kleinen Bergdörfer schwer in Mitleidenschaft. Während es über Generationen hinweg auch in den kleinsten Familien üblich gewesen war, eigenen Wein anzubauen, ist der Großteil der in die Hänge gehauenen Weinterrassen heute leer und verfallen, die Dörfer verwaist. Die Agrotourismus-Initiative Cyprus Villages versucht seit einigen Jahren, dieser Entwicklung gegenzusteuern und setzt erfolgreich auf die Renovierung und Vermietung verlassener Dorfdomizile.

Essen, was der Koch bestimmt

Wie lange die zypriotischen Insulaner schon im Bann des Weingeistes stehen, zeigt sich an den Ausgrabungen des archäologischen Parks in der Küstenstadt Pafos. Die kostbaren Bodenmosaike im dort freigelegten Haus des Dionysos, Gott des Rausches, datieren auf die Zeit zwischen drittem und fünftem Jahrhundert zurück und zeigen Ikarios, den sagenhaften Begründer des Weinbaus, wie er Mensch und Gott erstmals seine kostbaren Rebensäfte darbietet.

Einer der ebenfalls seine eigenen Trauben kultiviert, sich jedoch den Weg ins Gebirge erspart hat, ist George Demetriades. Seine Seven St. Georges Taverne in Yeroskepos gilt längst als Geheimtipp in Kreisen kulinarisch sensibilisierter Reisender. Es gibt keine Speisekarte. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Das heißt: was der Koch für richtig hält.

"Meze" nennt sich diese Art zu dinieren, dergemäß es täglich eine neue Auswahl an Gerichten gibt, die sämtlich und in kleinen Portionen serviert wird. "Meine Küche befriedigt nicht", verkündet der schnauzbärtige Demetriades breit grinsend. "Denn je mehr du davon isst, desto mehr willst du davon weiter essen." Ein Gast pflichtet johlend bei: "Genau, das Essen hier ist wie Sex!"

Ihre lebhafte Lust am sinnlichen Erleben ist den Südzyprioten vor dem Hintergrund der sie plagenden politischen Querelen sowie der von Griechenland zunehmend herüberschwappenden Euro-Krise also geblieben. Einmal mehr bewahren sie Ruhe, beweisen ihr duldendes Gemüt, besinnen sich aufs Eigene. Stelios Anthrakiotis, Reiseführer der Cyprus Tourism Organisation, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Wir sind griechisch, das schon. Aber wir sind nicht so laut. Wir sind die stillen Griechen." (Dominik Zechner, Album, DER STANDARD, 16.6.2012)