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Auf 900 bis 1.700 Meter Höhe liegen die Anbauflächen in den Blue Mountains.

Foto: Sébastien Boisse/Photononstop/Corbis

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In den Blue Mountains wird vor allem Kaffee angebaut - ohne Pestizide.

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Reggae-Legenden-Sohn Rohan Marley baut in den Blue Mountains Kaffee an.

Anreise: Keine Direktflüge ab Wien. Beste Verbindung: Condor zweimal wöchentlich nonstop von Frankfurt nach Montego Bay.
Einreise:
Reisepass mind. 6 Monate gültig, Rückflugticket erforderlich, Europäer benötigen kein Visum.
Hotels:
Mocking Bird Hill; Frenchman's Cove Resort (Bungalows im Sixties-Stil); Strawberry Hill (Luxus-Cottages in den Blue Mountains).
Weiterführende Informationen: Jamaica Tourist Board.

Grafik: DER STANDARD

"Mein Vater stammt von einer kleinen Farm im Hochland. Sein Wunsch war es, nach seiner Musikkarriere wieder zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Ich übernehme das jetzt für ihn", erzählt Rohan, zweitältester Sohn der Reggae-Legende Bob Marley. Bis auf die stämmige Statur sieht er seinem Vater zum Verwechseln ähnlich: Dreadlocks, fusseliger Bart, breites Lachen. Das Singen überlässt er allerdings lieber seinen Brüdern. Stattdessen produziert Rohan auf seiner 21-Hektar-Plantage in den Blue Mountains Kaffee aus ökologischem Anbau.

Blaugrauer Nebel verhüllt oft innerhalb von Sekunden die Kaffeesträucher an den steilen Berghängen, die zwischen von Flechten behangenen Bäumen, Farnen und Bananenstauden gedeihen. Das feuchte, eher kühle Hochlandklima im Landesinneren Ostjamaikas lässt die Kaffeekirschen nur langsam reifen. In ihrem Inneren verbergen sich besonders harte Bohnen mit dem speziellen Aroma des weltberühmten Blue Mountain Coffee. Die Anbauflächen zwischen 900 und 1700 Meter Seehöhe sind streng limitiert. Bloß tausend Tonnen Kaffee werden dort jährlich von Hand gepflückt. Das Kilogramm bringt auf dem Weltmarkt rund 100 US-Dollar - ein Vielfaches anderer Sorten.

Rohan und seine Mitarbeiter wissen, wie sie es anstellen müssen, um mit "Marley Coffee", der neuerdings auch nach Österreich exportiert wird, international erfolgreich zu sein. "Wir sind Vorreiter im biologischen Anbau", sagt Rohan. "Und wir haben unsere Tricks. Bananenstauden und Unkraut verhindern, dass der fruchtbare Boden bei Regen weggespült wird. Außerdem verwenden wir keinerlei Pestizide, sondern düngen mit Fledermaus-Guano." Nach dem Glauben der Rastafari sollten Lebensmittel erdverbunden und möglichst unbehandelt sein.

Auf Nachhaltigkeit und lokale Produkte setzen auch Shireen Aga und Barbara Walker, die seit 1993 - und damit lange vor allen anderen - ein kleines Öko-Hotel führen: das Mocking Bird Hill. "Ein umweltfreundlicher Ansatz hat vom ersten Tag an zu unserem Geschäftskonzept gehört. Aus diesem Grund haben wir uns auch in Portland in der Nähe von Port Antonio niedergelassen. Es gibt hier keinen Massentourismus und keine Bettenburgen wie in Ocho Rios oder Negril. Die Natur ist noch intakt."

Tatsächlich gilt der Bezirk Portland im Nordosten Jamaikas mit seinen vielen intimen Buchten und den Blue Mountains im Rücken als Geheimtipp unter Individualtouristen. Hier gibt es die höchsten Berge, die tiefsten Regenwälder, die verstecktesten Wasserfälle. Nirgendwo sonst kann man die Seele besser baumeln lassen - eine Bierflasche "Red Stripe" in der Hand und das Pfeifen der Baumfrösche im Ohr. Entlang der Küste verteilen sich charmante Unterkünfte aller Preiskategorien - manche davon mit ansetzender Patina, wie etwa die Sixties-Bungalows an der Frenchman's Cove, andere wiederum im ultramodernen Penthouse-Style wie das bei Popstars beliebte Geejam.

Die ersten Touristen gingen bereits Ende des 19. Jahrhunderts im Hafen von Port Antonio an Land. Sie erreichten die Insel auf den Schiffen des findigen Kapitäns L. D. Baker, der 1871 als Erster mit dem Export von Bananen nach Amerika begonnen hatte und seine Frachter nicht leer zurückfahren lassen wollte. Also baute er kurzerhand die Kajüten zu Passagierkabinen aus. Schnell wurde Port Antonio zur Welthauptstadt des Bananenanbaus - und Captain Baker so reich, dass man ihm nachsagte, seine Zigarren mit Fünf-Dollar-Scheinen anzuzünden. Bis heute werden die gelben Früchte von Port Antonio aus verschifft.

Auf dem Floß ist alles in Ordnung

Bananen waren gestern. Der Hauptindustriezweig des Landes ist heute der Tourismus. Allerdings wurde wegen der Nähe zum Flughafen in Montego Bay hauptsächlich die Nordwestküste entwickelt. Ob die Gewichtung als All-inclusive-Reiseziel und Kreuzfahrt-Destination dabei richtig gesetzt wurde, sei dahingestellt. In den ersten Monaten 2012 stiegen die Besucherzahlen jedenfalls um 20 Prozent, die Einnahmen um fast fünf Prozent auf 814 Millionen US-Dollar.

"Ich glaube nicht, dass reines Profitdenken im Tourismus auf Dauer funktioniert", sagt Shireen Aga. "Wenn ein Reiseland seine speziellen Gegebenheiten Natur und Leute betreffend nicht kultiviert, wird es irgendwann austauschbar." Ihren Gästen im Mocking Bird Hill schlägt sie deshalb Ausflüge vor, bei denen sie die Umgebung auf umweltfreundliche Art erkunden und mit den Einheimischen in Kontakt kommen können - zum Beispiel eine Floßfahrt auf dem Rio Grande.

"Everyt'ing alrait? Alles in Ordnung? Nennt mich einfach Käpt'n Nummer 54", ruft Mark und grinst seinen Passagieren über die Schulter zu. Geschickt balanciert er auf den locker mit Draht verbundenen Bambusstämmen seines zehn Meter langen Floßes, während er es mit dem Stab auf Kurs hält. Ruhig geht es auf dem trägen Fluss dahin, üppig grüne Vegetation zieht gleichmäßig vorüber, unterbrochen von kleinen Badebuchten. Irgendwann steuert Mark die erste Stromschnelle an. Wasser plätschert ihm über die Füße, Bambus knarzt, das Floß verbiegt sich. Die Passagiere schrecken aus ihrem Dösen auf und klammern sich an die hölzerne Sitzbank. "Keine Angst!", beruhigt Käpt'n Nr. 54. "Ich mache das schon seit 20 Jahren." Die Flöße sind flexibel, aber stabil - ursprünglich für den Transport von Bananen gebaut.

Wer sich mehr für Handwerk und Kultur interessiert, kann bei den lokalen Zulieferern des Mocking Bird Hill vorbeischauen - etwa bei den "Paper-Ladies" in Fairy Hill, die Altpapier recyceln und aus den neuen Bögen hübsche Karten und Briefpapier fertigen. Die Hotelbesitzerinnen Shireen und Barbara empfehlen auch gerne einen Besuch in der Maroon-Gemeinde Charles Town, wo man nicht nur dem Bammy-Maker Norris beim Zubereiten seiner Cassava-Fladen zusehen, sondern auch dem Maroon-Museum einen Besuch abstatten kann. Die kriegerisch bemalte Fassade zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Die Maroons sind Nachfahren entflohener Sklaven, die sich in den unwegsamen Blue Mountains versteckten und von dort aus mit regelmäßigen Überfällen einen regelrechten Guerillakrieg gegen die britischen Kolonialherren führten, bis sich diese 1739 gezwungen sahen, den Aufständischen die Selbstverwaltung ihres Siedlungsgebiets vertraglich zu versichern. Bis heute genießen die Maroons Autonomiestatus und pflegen ihr afrikanisches Erbe, von dem man gerade im Osten Jamaikas noch besonders viel spürt. (Gabriela Beck, Rondo, DER STANDARD, 15.6.2012)