Wien/Espoo - Nokia ist ein angezählter Riese: Die neuen Smartphones verkaufen sich mäßig, und in den angestammten Märkten der Schwellenländer wildern aggressive Rivalen. Jetzt tritt der einstige Weltmarktführer die Flucht nach vorne mit einem radikalen Schnitt an - der kriselnde Handy-Hersteller streicht weltweit 10.000 Arbeitsplätze, um seine Zukunft zu sichern. Damit fällt rund jede fünfte Stelle im Handy-Geschäft weg. Die Jobs werden bis Ende 2013 abgebaut, wie das finnische Unternehmen am Donnerstag ankündigte. In wie weit Nokia in Österreich von den Stellenkürzungen betroffen ist, könne man derzeit noch nicht sagen, sagte Sprecherin Alma Mautner.

Nokia Österreich mit Sitz in Wien verwaltet von hier aus insgesamt 15 Länder in Zentral- und Osteuropa. Wie viele Mitarbeiter in Wien arbeiten, wurde nicht bekanntgegeben. In Deutschland soll der Standort für Forschung und Entwicklung in Ulm mit zuletzt 730 Mitarbeitern schon Ende September schließen.

Deutschland bleibe aber ein sehr wichtiger Standort für Nokia, betonte Konzernchef Stephen Elop. Er hob vor allem das Zentrum für ortsbezogene Dienste in Berlin hervor. Die Mitarbeiter in Ulm arbeiteten aber an Projekten, die Nokia nicht mehr fortführen werde.

Fokus auf neue Smartphones

Ortsbezogene Dienste sollen neben digitaler Fotografie und mobiler Navigation ein zukünftiger Schwerpunkt von Nokia werden. Elops Plan ist, den Fokus auf die neuen Smartphones der Marke Lumia und verwandte Angebote zu schärfen. Dafür gibt es die Kürzungen in anderen Geschäftsbereichen. Nokia steckt in roten Zahlen fest und muss dringend die Kosten senken. Allein im ersten Quartal gab es einen gewaltigen Verlust von 929 Mio. Euro.

Jetzt sollen die jährlichen Einsparungen bei den operativen Ausgaben von einer auf 3 Mrd. Euro hochgeschraubt werden. Von dem Milliardenziel seien im ersten Quartal bereits 700 Mio. Euro geschafft worden, sagte Elop. Zunächst wird der Stellenabbau aber rund 1 Mrd. Euro an zusätzlichen Kosten verschlingen. Eine Zäsur ist die Schließung des traditionsreichen Werks Salo im Finnland. Allein in Nokias Heimatland sollen 3.700 Jobs verschwinden.

Nokia hatte zum Ende des ersten Quartals weltweit gut 122.000 Mitarbeiter im Konzern. Ohne den ebenfalls mit heftigen Problemen kämpfenden Netzwerk-Ausrüster Nokia Siemens Networks (NSN) waren es 53.500 Arbeitnehmer.

"Wir müssen nicht nur unsere finanzielle Lage verbessern, sondern auch langfristig die Zukunft von Nokia sichern", erklärte Elop. Die Börsianer werteten die Rotstift-Aktion eher als Zeichen der Schwäche: Die Aktie verlor zum Mittag mehr als 11 Prozent und notierte erstmals knapp unter 2 Euro.

Mit der neuen Strategie wird auch das Führungsteam umgekrempelt. Es gehen Marketingchefin Jerri DeVard, Handy-Chefin Mary McDowell und Niklas Savander als Zuständiger für Märkte. Sie werden durch Nachfolger aus den eigenen Reihen ersetzt. So wird Chris Weber, der die Lumia-Markteinführung im Problemmarkt USA über die Bühne brachte, neuer Marketingchef.

Einige der nun zurückgetretenen Manager hatte Elop selbst im vergangenen Jahr befördert - doch offenbar konnten sie nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Nokia müsse sich mit "äußerster Eile und sehr aggressiv" bewegen, erklärte der frühere Microsoft-Manager die Personalentscheidung.

Harte Konkurrenz

Nokia war lange Marktführer im Geschäft mit einfachen Handys und auch Computer-Telefonen, wurde aber von Apple mit seinem iPhone und vor allem Samsung überholt. Die Südkoreaner profitieren von ihrer breiten Modell-Palette und stießen Nokia zuletzt nach 14 Jahren vom Thron des weltgrößten Handy-Herstellers. Auch Nokias Lumia-Smartphones mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone erwischten im vergangenen Herbst einen mäßigen Start. Laut Marktforschern hängt Windows Phone im Smartphone-Geschäft immer noch bei einem Anteil von rund zwei Prozent fest.

Zugleich senkte der Konzern den Ausblick für das zweite Quartal. Die Marge werde entgegen den Erwartungen noch tiefer als im ersten Vierteljahr in den roten Bereich absinken, hieß es. Das deutet auf einen weiteren hohen Verlust hin.

Den Edel-Handy-Hersteller Vertu - der extrem teuer verarbeitete, aber technisch nicht mehr so attraktive Mobiltelefone produziert - wurde nach langen Bemühungen an den europäischen Finanzinvestor EQT VI verkauft. Einen Preis nannte Nokia nicht. (APA, 14.6.2012)