Es wird ernst mit dem Punkteführerschein", titelte die Austria Presseagentur ihre Meldung - am 23. Mai 1996.

Dass aus den Plänen der SP-Verkehrsminister dann doch nichts geworden ist, lag am Widerstand von ÖVP und FPÖ. Die Argumente: zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten. Schließlich wurden zahlreiche Expertenhearings abgehalten, am Ende verschwand der Plan, Verkehrsrowdys Punkt um Punkt von der Straße zu bekommen, in der Ablage.

Von dort holt ihn nun just der FPÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach wieder hervor. Willkommen in der wunderbaren Welt der (Verkehrs-)Politik. Die Freiheitlichen haben einen U-Turn, eine Kehrtwendung hingelegt, die Volkspartei zeigte sich in Form ihres Verkehrsstaatssekretärs Helmut Kukacka erst "verwundert" und dann "grundsätzlich gesprächsbereit". Auf der Bremse steht mittlerweile die SPÖ, für die der burgenländische Verkehrssprecher Gerhard Pongracz "mehr offene Fragen als Antworten" sieht.

Möglicherweise wären diese politischen Rochaden für den Beobachter ganz unterhaltsam - aber es geht um Menschenleben. Bis zu 150 Väter, Mütter und Kinder könnten es jedes Jahr sein, die nicht im Straßenverkehr getötet werden, schätzen die Verkehrsexperten. Die Statistiken aus anderen EU-Staaten, die teilweise schon seit Jahrzehnten Punkte verteilen, bestätigen diese Ansicht: Wer für ein gröberes Verkehrsdelikt nur ein paar Euro zahlen muss, vergisst schnell. Wenn er aber zusätzlich auf seinem Punktekonto sieht, dass er sich einer Nachschulung nähert, fährt der oder die Betroffene vorsichtiger und besser. Ein Menschenleben sollte daher in jedem Fall mehr wert sein als die Kosten für eine Verkehrssünderkartei. Und vor allem mehr, als mit politischem Kleingeldwechseln verdient werden kann. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2003)