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Mario Monti trägt schwer an Italiens innenpolitischen Verhältnissen. Im Gegenzug provoziert er mit der Ernennung unabhängiger Chefs für das Staatsfernsehen Rai.

Foto: AP/Tarantino

Mario Monti gilt als ruhiger und ausgeglichener Charakter. Doch als am Dienstag der Druck der Finanzmärkte auf Italien wuchs und die Rendite der Staatspapiere steil nach oben schnellte, riss dem Premier der Geduldsfaden. Er bestellte die Chefs der drei größten Parteien umgehend in den Chigi-Palast. Angelino Alfano, Pierluigi Bersani und Pier Ferdinando Casini - von den italienischen Medien kurz ABC genannt - fanden sich wenig später am römischen Regierungssitz ein.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was der verärgerte Premier den Parteienvertretern mitzuteilen hatte. Er fühle sich in einer "dramatischen Situation" alleingelassen. Das Parlament müsse hinter der Regierung stehen und deren Reformkurs entschlossener unterstützen, erklärte Monti ungehalten. Das Dauergezänk der Parteien müsse ebenso aufhören wie die Delegitimierung der Regierung und das ständige Gerede über Neuwahlen.

Nach der gründlichen Kopfwäsche versprachen die Parteien Besserung. Sie wollen Mario Montis Forderung nach EU-Maßnahmen zur Wachstumsförderung nun auch international unterstützen. Am Mittwoch dementierte der Premier in einer Rede im Parlament alle Gerüchte, Italien benötige den Rettungsschirm der EU: "Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt und können uns beruhigt den internationalen Finanzmärkten stellen." Wenn die EU auf ihrem Gipfel Ende Juni ein geeignetes Wachstumspaket beschließe, würden die Zinsaufschläge auf Staatspapiere rasch sinken, versicherte Monti.

Seine Regierung werde bereits in den kommenden Tagen wachstumsfördernde Maßnahmen beschließen und die Ausgaben um weitere 14 Milliarden Euro kürzen, so der Premier, der an die Parteien appellierte, die Reformen rasch zu verabschieden. Dazu gehört die wichtige Arbeitsmarktreform, die seit Monaten ihrer Genehmigung harrt.

Die Parteien sagten Mitarbeit zu. Doch niemand gibt sich der Illusion hin, dass die Verzögerungstaktik und der unterschwellige Kleinkrieg der übernervösen Parteien ein rasches Ende finden werde. Silvio Berlusconis Volk der Freiheit ist von Auflösung bedroht und wurde nach jüngsten Umfragen von der Fünf-Sterne-Partei des Komikers Beppe Grillo überholt. Neue Bürgerlisten drängen ins Parlament. Und der siegessichere Chef des Partito Democratico, Pier Luigi Bersani, könnte nach Umfragen in den Vorwahlen seiner Partei jüngeren Rivalen unterliegen.

Dass ihn das aufgeregte Geplänkel der Parteien nervt, bewies Monti vor wenigen Tagen mit einem provozierenden Schachzug: Er bestellte zwei parteiunabhängige Manager zum Präsidenten und Generaldirektor des massiv verschuldeten Staatsfernsehens Rai. Die Parteien werteten den Schritt des Premiers als "unzulässige Bevormundung". Die Italiener quittieren solches Hickhack mit Gleichgültigkeit. Millionen Familien können sich angesichts der Rezession nur noch das Nötigste leisten. Grillo kommentiert die Auflösungserscheinungen in der Parteienlandschaft mit beißendem Spott: "Bitte verschwindet nicht zu schnell. Darauf sind wir nicht vorbereitet!" (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 14.6.2012)