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Vor 125.000 Jahren sah es im warmen Europa etwas anders aus als heute: Im Rhein schwammen Flusspferde, südlich der Alpen lebten Waldelefanten (ein Exemplar hier im Bild)  und Skandinavien war aufgrund des höheren Meeresspiegels eine Insel.

Foto: APA/EPA/JAN WOITAS

Kiel - Zwischen den Riß- und der Würmeiszeit lag die sogenannte Eem-Warmzeit, benannt nach einem Fluss in den Niederlanden: Sie begann vor gut 125.000 Jahren und bescherte Europa für knapp 11.000 Jahre ein deutlich wärmeres Klima - bis zu mehrere Grad über den heutigen Durchschnittstemperaturen. Heute wird diese letzte große Warmzeit vor der Gegenwart oft als Vergleich für aktuelle Klimaentwicklungen herangezogen. Das ist aber nur bedingt möglich, wie das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel berichtet.

Der Vergleich

Die damalige Realität liest sich teilweise wie ein Schreckensszenario heutiger Zukunftsprognosen: Große Teile des Grönlandeises schmolzen ab, der Meeresspiegel lag deutlich höher als heute. "Deshalb eignet sich das Eem scheinbar so gut als Grundlage für Prognosen zum aktuellen Klimawandel", sagt der Kieler Forscher Henning Bauch. In einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" erschienen ist, zeigen Bauch und Kollegen jedoch, dass sich die Eem-Warmzeit in einem entscheidenden Punkt von den heutigen Verhältnissen unterschied: der Entwicklung im Arktischen Ozean.

In der jetzigen Warmzeit transportieren Meeres- und atmosphärische Strömungen große Mengen an Wärme in die hohen nördlichen Breiten; am bekanntesten sind die Ausläufer des Golfstroms. Sie sorgen nicht nur für angenehme Temperaturen in Nordeuropa, sondern reichen weit bis in die Arktis hinein. Studien der vergangenen Jahre haben ergeben, dass der Wärmetransport Richtung Arktis in jüngster Zeit sogar zugenommen hat, während die Meereisbedeckung im arktischen Sommer immer weiter zurückgeht. Die Forschung ging lange davon aus, dass sich diese Prozesse ähnlich auch vor 125.000 Jahren abgespielten. Demnach müsste die Arktis im Eem während der Sommer komplett eisfrei gewesen sein.

Der Sache auf den Grund gegangen

Die Gruppe um Bauch untersuchte nun Sedimentkerne aus dem Meeresboden, in denen Informationen über die Klimageschichte der vergangenen 500.000 Jahre gespeichert sind. Sie stammen aus dem Atlantik westlich von Irland und aus dem zentralen Nordmeer östlich der Insel Jan Mayen. In diesen Sedimentkernen sind unter anderem die Kalkschalen abgestorbener Foraminiferen, im Meer lebender Einzeller, enthalten.

Die Proben aus dem Atlantik lieferten die Eem-typischen Signale für Temperaturen, die über den heutigen lagen. Die Proben aus dem Nordmeer zeigten aber ein ganz anderes Bild. "Dort fanden sich in den Eem-Schichten vor allem Kälte anzeigende Foraminiferen-Arten. Die Isotopenuntersuchungen der Schalen, in Kombination mit vorherigen Studien der Arbeitsgruppe, deuten auf große Kontraste zwischen den Oberflächen dieser beiden Meeresgebiete", sagt Bauch. "offensichtlich war also der atlantische Wärmetransport in die hohen nördlichen Breiten während des Eem viel schwächer ausgeprägt als heute." 

Der Unterschied

Seine Erklärung: "Die dem Eem vorangegangene Saale-Eiszeit (im Alpenraum Riß-Eiszeit genannt, Anm.) war in Nordeuropa von viel größerer Ausdehnung als die Weichsel-Eiszeit (Würm-Eiszeit) vor unserer heutigen Warmzeit. Deshalb floss wohl beim Abtauen des Eisschildes über einen längeren Zeitraum viel mehr Süßwasser ins Nordmeer. Das hatte drei Folgen: Die nördliche Meeresströmung war abgeschwächt und im Winter konnte sich aufgrund des geringeren Salzgehaltes ausgedehnter Meereis bilden. Im Nordatlantik führte diese Abschwächung gleichzeitig zu einer 'Überhitzung', da die Wärmezuführung von Süden weiter funktionierte".

Einerseits gibt die Studie also neue Hinweise zur Rekonstruktion des Klimas während der Eem-Warmzeit. Andererseits hat sie auch Folgen für die aktuelle Klimaforschung: "Offensichtlich liefen entscheidende Prozesse wie der Wärmetransport nach Norden im Eem anders ab. Das müssen Modelle berücksichtigen, wenn sie die zukünftige Klimaentwicklung, gerade auch für die Arktis, auf Grundlage des Eems prognostizieren wollen", sagt Bauch. (red, derStandard.at, 16.6.2012)