Statt Ted und Co. sind es Dmitri, Pawel, Lucy, Katja und Jura. Sie leben in Moskau und verbringen ihre Zeit in einer dem New Yorker McLaren's nachempfundenen Bar und einer dem Original sehr ähnlichen Wohnung darüber.

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Fünf Freunde und ihre Abenteuer in der großen Stadt, dargebracht aus der Perspektive eines manchmal vergesslichen, manchmal schusseligen, aber größtenteils humorvollen älteren Herrn, der seinen zwei Kindern erzählt, wie er deren Mutter kennengelernt hat – das ist "How I Met Your Mother". Nur sind es diesmal nicht Ted und Co., sondern Dmitri, Pawel, Lucy, Katja und Jura. Sie leben in Moskau und verbringen ihre Zeit in einer dem New Yorker McLaren's nachempfundenen Bar und einer dem Original sehr ähnlichen Wohnung darüber. Nur mit billiger Beleuchtung eben.

In der russischen Version der "neuen Friends" sitzen "Barneys" Anzüge schlechter, aber die Physis des Schauspielers entspricht eher der Vorstellung, die die ursprünglichen Produzenten von dieser Figur hatten – einem weitaus älteren, kantigen, dunkelhaarigen und etwas schleimigeren Typen. Die restlichen Charaktere und auch deren Kleidung, Accessoires und Möbel wurden detailgetreu nachgestellt – kein Wunder, wurde doch das lizenzierte Remake mit Wohlwollen und Zusammenarbeit seitens 20th Century Fox erstellt.

Das Skript folgt einer genauen Übersetzung des Originals, auch Kameraeinstellungen und -fahrten wurden eins zu eins übernommen. Einzig manche Witze mussten kulturell transportiert und daher verändert werden, teurere Einstellungen und Szenen wurden dramaturgisch clever gelöst. Während wir Ted, Marshall und Lily durch Rückblenden oft in ihrer vernebelten und geschmacksverwirrten College-Zeit erleben, verzichtet die russische Version auf diese Perspektive und spart auch die Marihuana-Abenteuer der Helden aus. Man erfährt außerdem, woher die plötzlich aus dem Nichts aufgetauchte Ananas aus der ersten Staffel kommt – keine Toleranz für ungeklärte Fälle?

Modern Family?

In "How I Met Your Mother" sind, wie man im Englischen sagen würde, "people of color" nur klischeehaft und mit rassistischen Stereotypen eingebunden – man denke etwa an Ranjit, den Taxifahrer, oder Barneys schwulen schwarzen Bruder James. In "Kak ja wstretil waschu mamu" gibt es überhaupt keine Diversität im Cast, der Taxifahrer ist ein "Weißer", der Bruder hat eine attraktive Freundin namens Olja.

Ähnlich ist es bei der weißrussischen Version von "The Big Bang Theory" namens "Teoretiki" (Die Theoretiker). Zwar wurden fast alle Originalnamen der Hauptdarsteller beibehalten – nur die weißrussische "Schlumpfine" Penny heißt hier Natascha -, doch der im Original scheue Astrophysiker Raj aus Indien ist hier ein kleiner, dünner blonder Mann.

Criminal Minds

Laut einem Statement Chuck Lorres, des Produzenten von "The Big Bang Theory" (und beispielsweise auch "Two and a Half Men"), sind die "Theoretiker" nicht in Absprache mit ihm, CBS oder Warner Brothers entstanden. Lorre erklärt das in einem Statement und hebt hervor, dass es sinnlos wäre, den weißrussischen Sender CTV oder die Produzenten wegen Urheberrechtsverletzungen zu belangen, da diese eng mit der Regierung in Verbindung stünden. Die weißrussischen "Theoretiker" genießen also Narrenfreiheit und gesellen sich zu den unlizenzierten Rip-offs von "Prison Break" (China) und "24" (Indien).

Different Strokes

Für amerikanische Sender und Film- und Fernsehunternehmen sind neue, lokale Produktionen ihrer Formate eine willkommene Form der Umsatzsteigerung. Sie können dazu beitragen, eine Serie international als Marke zu etablieren, bereits eingestellte Produktionen wiederzubeleben oder gar im Ursprungsland unveröffentlichte Konzepte überhaupt erst zu etablieren. Diese Remakes können dann – wie eben das russische "How I Met Your Mother" – manchmal sehr originalgetreu sein. Andere verlieren im Prozess der kulturellen Übersetzung so viele ihrer ursprünglichen Qualitäten, dass man schon darüber streiten kann, ob es noch dieselbe Serie ist.

Ein ungewöhnliches Beispiel hierfür sind die arabischen "Simpsons" – die Al-Shamshoon-Familie mit Omar, Mona und Badr -, ausgestrahlt vom Sender MBC in Dubai. Sie waren der Versuch, ein jüngeres Publikum zu gewinnen, und bestanden aus echtem "Simpsons"-Bildmaterial, arabischer Synchronisation und Zensur. Aber auch die "Nanny" und "Everybody Loves Raymond" mussten einige Veränderungen beim Umzug nach Russland durchleben, erstere Serie verlor gar die Hauptfigur, die zweite wurde mit einer deftigen Portion Slapstick ausgestattet.

The Office

Zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich gibt es wohl die ausführlichste Geschichte von Serien-Remakes. Eines der bekanntesten Beispiele ist "The Office", ein Konzept Ricky Gervais', das in den USA Steve Carrell zu großer Beliebtheit verholfen hat und immer wieder für humorvoll inszenierte Neid-Angriffe zwischen den Schauspielern sorgt. In Deutschland heißt die Serie "Stromberg" und war zunächst keine lizenzierte Version, wurde aber später mit dem Nachsatz "inspiriert von der BBC-Show The Office" betitelt.

Ricky Gervais meint zur "Eroberung" auf seiner Website: "I must say I was very surprised when I saw the new unauthorised version. It's not like the Germans just march in and take something that isn't theirs." Wie hellsichtig diese Anspielung beim Betrachten der Switch-Reloaded-Verarsche der Serie wirkt – in "Obersalzberg" geht es schließlich um den Hitler-Bunker. Das Office-Konzept ist so beliebt, dass es in vielen Ländern wenig abweichende Versionen davon gibt, etwa in Frankreich, Chile und Israel. Andere weit verbreitete Konzepte sind "Law & Order" und "Married ... with Children" mit zahlreichen Remakes auf der ganzen Welt.

American Dad

Der kulturelle Transfer von Narrativen, Konzepten und ganzen Geschichten ist keine Erfindung der Serien- und TV-Welt. Es ist ein natürlicher, organischer Prozess, der vor einigen hundert Jahren noch Romane und Theaterstücke – insbesondere Komödien – betraf und sich heute eben auf die Fernsehwelt konzentriert. Er wirft aber auch einige Fragen auf: Was bedeuten die kleinen, feinen Änderungen der Geschichten – sind das die oft zitierten "kulturellen Unterschiede" zwischen den Ländern? Wäre es nicht ein größerer Gewinn, durch den Konsum der Originale (mit Originalton vielleicht) den eigenen Horizont zu erweitern? Warum scheinen die USA Vorreiter auf diesem Gebiet zu sein? Und sollten lokale oder nationale Fernsehsender und Produktionsfirmen nicht lieber neue Talente und eigene Konzepte ausfindig machen und fördern? (Olja Alvir, daStandard.at, 13.6.2012)