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Videospiele werden immer aufwändiger und komplexer. Die Interaktion mit ihnen hat Einfluss auf unser Leben. Im Bild: Bewegungssteuerung beim Rollenspiel "Fable - The Journey" bei der US-Spielemesse E3.

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Tobias Greitemeyer: "Die aggressiven Computerspiele haben fantastische Grafik, super Sound, bei prosozialen ist es oft das Gegenteil."

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STANDARD: Welche Auswirkungen haben Videospiele auf die Gesellschaft?

Greitemeyer: Es hängt sehr vom Inhalt des Spiels ab. Es gibt aggressive Computerspiele, etwa Egoshooter. Da hat sich gezeigt, dass man auch im realen Leben aggressiver ist, nachdem man sie gespielt hat. In Österreich spielen vielleicht eine Million Menschen diese Art von Spielen, das ist schon ein bedeutsames gesellschaftliches Phänomen. Autorennspiele fördern etwa riskantes Verhalten, auch da gibt es einen kausalen Zusammenhang - wenngleich die Effekte nicht sehr groß sind.

STANDARD:  Viele sagen, sie spielen, um sich abzureagieren.

Greitemeyer: Die dem Argument zugrunde liegende Katharsis-Hypothese geht auf Sigmund Freud zurück und ist sehr beliebt. Man fühlt sich in der Tat etwas besser. Aber es ist nicht so, dass aggressive Impulse durch das Spielen unterdrückt würden.

STANDARD:  Kann man Egoshootern auch etwas Positives abgewinnen?

Greitemeyer: Punkto Sozialverhalten wüsste ich in der Tat nichts Positives. Aber Informationsverarbeitungsprozesse, etwa Konzentrations- und Gedächtnisleistung oder räumliches Vorstellungsvermögen, können damit gefördert werden. Die Spiele erfordern ein sehr komplexes Verhalten.

STANDARD:  Was ist mit Teamwork?

Greitemeyer: In einem vom Wissenschaftsfonds geförderten Projekt haben wir herausgefunden, dass Menschen, die ein aggressives Computerspiel gemeinsam spielen, danach kooperativer und weniger aggressiv sind als jene, die das gleiche Spiel alleine spielten. Das gemeinsame Spiel vermindert die negativen Effekte aber lediglich.

STANDARD:  Wie schätzen Sie die Suchtgefahr bei Videospielen ein?

Greitemeyer: Nur bei sehr wenigen ist es pathologisch. Die Suchtgefahr ist kein spezifisches Problem von Computerspielen. Manche gehen auch exzessiv joggen.

STANDARD:  Gibt es Spiele mit positiven Folgen fürs Sozialverhalten?

Greitemeyer: Positive Effekte gibt es bei sogenannten prosozialen Computerspielen. Das sind Spiele, in denen man einem anderen Spielcharakter hilft. Es gibt etwa eines, in dem man ein Hubschrauberpilot ist und Figuren, die in einem brennenden Haus eingeschlossen sind, retten muss. Es zeigt sich, dass Leute, die solche Spiele gespielt haben, sich dann im realen Leben auch hilfsbereiter verhalten.

STANDARD:  Sozial eingestellte Menschen neigen wohl zu entsprechenden Spielen. Stichwort Henne-Ei-Problem. Wie werden Auswirkungen erhoben?

Greitemeyer: Durch experimentelle Studien. Die Probanden werden dabei per Zufall den Spielen zugeteilt. Nach dem Spielen werden Hilfeverhalten und Aggressionen gemessen. Es gibt tatsächlich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Spielen eines Computerspiels und dem späteren Verhalten.

STANDARD:  Warum gibt es so wenige prosoziale Spiele?

Greitemeyer: Es ist in der Tat so, dass auf 20 aggressive ein prosoziales Spiel kommt. Als wir die Studien durchgeführt haben, war es gar nicht so einfach, prosoziale Computerspiele zu finden. Das bereits angesprochene Helikopterspiel hieß "City Crisis" (für Playstation 2, Anm.). Der Vergleich schockiert: Die aggressiven Computerspiele haben fantastische Grafik, super Sound, tolle Story, bei den prosozialen ist oft das Gegenteil der Fall. Es ist ein großes Problem, dass Spielehersteller zu viel Geld in die Entwicklung aggressiver Spiele investieren.

STANDARD:  Man kann also auch etwa die Organisationsleistung, die man in Online-Welten lernt, ins "echte Leben" mitnehmen?

Greitemeyer: Dass es da auch positive Effekte gibt, wäre tatsächlich das, was ich aufgrund der bisherigen Studien erwarten würde.

STANDARD:  Ein sehr erfolgreiches Spiel ist "Die Sims", in dem Lebensläufe, Familien simuliert werden.

Greitemeyer: Man kümmert und sorgt sich um Spielcharaktere. Das sollte sich generalisieren auf den Alltag. Man könnte danach eher bereit sein, etwa Angehörige zu pflegen.

STANDARD: Fördern Spiele Kreativität?

Greitemeyer: Gerade bei neueren, anspruchsvollen Spielen muss man Gedanken, Ideen investieren. Da kann ich mir positive Aspekte vorstellen.

STANDARD: Man kann also definitiv von Computerspielen lernen, im Schlechten wie im Guten. In welchem Ausmaß?

Greitemeyer: Die Effekte sind messbar, aber nicht sonderlich groß. Natürlich kann man nicht sagen, dass jeder, der ein aggressives Computerspiel spielt, sich dann aggressiv verhält. Es ist ähnlich wie bei Rauchen und Lungenkrebs: Nicht jeder, der raucht, bekommt Lungenkrebs. Es erhöht nur die Wahrscheinlichkeit. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, 13.6. 2012)