In der Tucholsky-Revue im L.E.O. wird zu den Texten des Autors mal gespielt, mal getanzt.

Foto: Christa Fuchs

Wien - Neben den äußerst originellen, aufs Wesentliche konzentrierten, das gesangliche Potenzial des Publikums fordernden Darstellungen beliebter Musiktheaterwerke zeigt das Letzte Erfreuliche Operntheater in der Ungargasse auch gern Themen oder Künstlern gewidmete Produktionen - zum Beispiel jetzt gerade eine Kurt-Tucholsky-Revue.

Aus dem Bücherregale sprengenden Schaffen des Schriftstellers, Journalisten und Großsatirikers kompilierte das L.E.O.-Dreigestirn Elena Schreiber, Stefan Fleischhacker und Martin Thoma eine Revue mit Schwerpunkt auf den Themen Militarismus- und Eheskepsis. (Auf dem Gebiet der entlarvenden Betrachtung des deutschen Ehealltags hat Tucholsky Loriot quasi präplagiiert.)

Mal wird gespielt, mal wird gesungen, die Musiken zu Tucholskys Texten stammen unter anderem von Friedrich Hollaender, Hanns Eisler und Andreas Brencic.

Letzterer vollbringt auf dem L.E.O.-Scherben wahre Begleitwunder und komponiert auch ganz famos ("Das Ideal"). Elena Schreiber, die Meryl Streep der Ungargasse, gesteht so virtuos wie nuanciert eine Liebschaft, und auch Prinzipal Fleischhacker versucht sich, wenn ihn nicht gerade blondes Zopfwerk umgibt, im semiernsten Fach ("Wendriner kann nicht schlafen").

Wie fast immer kann man sich dabei dem Charme des Handgemachten, Unperfekten nicht entziehen.

Traurig, dass die Stadt Wien das L.E.O. nächstes Jahr mal wieder gar nicht unterstützt - ist diese Institution für das Seelenleben der Stadt und ihrer Bewohner doch ungleich bereichernder als so manche teuer eingekaufte Festwochen-Hochglanzproduktion. (Stefan Ender, DER STANDARD, 12.6.2012)