ModeratorIn: Lieber Herr Aiginger, wir freuen uns, dass Sie in diesen turbulenten Tage Zeit für uns haben. Liebe UserInnen herzlich willkommen.

Karl Aiginger: Grüß Gott, ich glaube es ist eine spannende Zeit, in der ich ihre Fragen beantworten kann.

UserInnenfrage per Mail: Wie hoch stehen Ihrer Ansicht nach die Chancen, dass die Eurozone sich tatsächlich in absehbarer Zeit Richtung Fiskalunion bewegt?

Karl Aiginger: Europa kann und muss sich in Richtung einer Fiskalunion bewegen, wobei es hier natürlich verschiedene Ausformungen gibt, eine engere oder eine lockere Fiskalunion. Wichtig ist, dass die europäischen Länder, die eine gemeinsame Währung haben, eine Fiskaldisziplin in jedem einzelnen Land verfolgen, allerdings soll dieses Konzept auch nicht zu eng sein, sondern es muss nationale Prioriäten ermöglichen und es muss einen Platz für Wachstumspolitik, für Zukunftsinvestitionen und die Verringerung der Arbeitslosigkeit haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns in diese Richtung bewegen ist mindestens 70%.

d024419d-9d27-4ca4-b112-6c7b093223a0: Wie würden Sie die aktuelle Panik um die angebliche Flucht Italiens unter den Rettungsschirm beurteilen - obgleich das Land fiskalisch und fundamental abgesehen vom Zinsdruck besser dasteht als Österreich ?

Karl Aiginger: Es ist wichtig, dass die Zinssätze für die südeuropäischen Länder nicht zu hoch sind, die Märkte nützen jede Unsicherheit dazu aus, um das jeweils schwächste Glied der Kette zu bestrafen. Das war zunächst Griechenland, Portugal ist in der letzten Woche Spanien gewesen und jetzt beginnt die Diskussion über Italien. Die einzige Gegenstrategie ist eine Vision, wie Europa seine Finanzprobleme löst, niedrige Zinssätze für jene Länder ermöglicht, die ein Reformkonzept haben und über eine Finanztransaktionssteuer eine Reduktion der Steuern für Konsumenten und Unternehmer ermöglicht. Zusätzlich muss es eine Absicherung der Banken geben, die mittelfristig nicht über staatliche Budgets und Steuerzahler erfolgt.

UserInnenfrage per Mail: Die Finanzmärkte bewegt derzeit, ob Italien unter den Rettungsschirm schlüpfen muss. Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

Karl Aiginger: Wichtig ist es den Rettungsschirm aufzuspannen und zu vergrößern und den Fiskalpakt durch ein Wachstumsprotokoll zu ergänzen. Wenn die Märkte realisieren, dass Europa entschlossen und auf dem richtigen Weg ist, dann muss Italien nicht unter den Rettungsschirm schlüpfen, weil die Zinssätze am Markt sinken werden. Allerdings muss auch Italien sein Reformprogramm beschleunigt fortsetzen.

Gaius Baltar: Gibt es irgendein wirtschaftspolitisches Szenario, bei dem die Südeuropäer keine substanziellen Einschnitte in ihrem Lebensstandard hinnehmen müssen? Und wie kann sich Politik legitimieren, die so etwas nicht verspricht?

Karl Aiginger: Es gibt kein Konzept in dem die Südeuropäer nicht mit einer kurzfristigen Dämpfung ihrer Einkommen rechnen müssen, weil die Einkommen bisher stärker gestiegen sind, als die Produktivität. Die Länder müssen eine Vision entwickeln, welche Struktur und Industrie sie nach der Krise haben. Dieses Konzept muss in den Ländern selbst entwickelt werden und dann kann das Wachstum bei verbesserten Strukturen wieder einsetzen. Wichtig ist auch, dass die Sparmaßnahmen sozial verträglich verteilt sind, auch die Vermögenden einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten und die Jugend Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhält und an ihre Zukunft glauben kann.

georg-98113: Sehr geehrter Herr Aiginger, liegt nicht der Schlüssel zur Lösung der Euro-Krise hauptsächlich bei der EZB? Eine weitere Lockerung der Geldpolitik und eine direkte Finanzierung der Staaten (à la FED) würde die Finanzierungskosten senken und damit di

Karl Aiginger: Die EZB hat tatsächlich eine Schlüsselrolle. Sie kann zusätzliches Geld für Banken zur Verfügung stellen und könnte auch den Zinssatz noch um ein halbes Prozent senken. Mindestens so wichtig ist, dass sie nicht nur eine Rolle zur Bekämpfung der Inflation wahrnimmt, sondern es auch zu ihren Aufgaben zählt, den Finanzsektor zu stabilisieren. Das wird eine längere Diskussion sein, aber ein entscheidender Beitrag dafür dass Europa wieder am weltwirtschaftlichen Wachstum teilnehmen kann und die Schulden senken kann. Eine Schlüsselrolle nehmen auch Eurobonds ein, das heißt eine gemeinsame Schuldenaufnahme aller europäischen Länder, die gemeinsam einen Reformkurs steuern. Es ist also eine Form der bedingten oder qualifizierten Eurobonds. Länder die sich sehr viel stärker verschulden, müssen auch einen höheren Zinssatz zahlen, zumindest für jene Schulden die 60% der Wirtschaftsleistung übersteigen. Eine Inflationsgefahr besteht nicht, weil die Kapazitäten schlecht ausgelastet sind und die Lohnerhöhungen unter dem Anstieg der Produktivität liegen. Einziger Inflationstreiber sind Ölpreise und Ressourcenknappheit und dafür sollte eine energiesparende Politik verfolgt werden.

sinope: Hallo Hr. Aiginger, warum nehmen die Staaten nicht Kredite direkt bei der EZB auf? 1% Zinsen wären doch Perfekt.

Karl Aiginger: Es ist mit Recht verboten, dass Staaten sich bei der EZB direkt finanzieren. Historische Erfahrungen zeigen, dass in diesem Fall die Begehrlichtkeit des Staates unbegrenzt ist und eine hohe Inflation die notwendige Folge ist. Deswegen gibt es Regeln, die die direkte Finanzierung verhindern. Allerdings kann die EZB durch Ankauf von Staatsschulden - wenn auch am Sekundärmarkt - den Zinssatz senken und sollte dies auch für jene Länder machen, die sehr hohe Schulden zahlen. Dies ist notwendig, weil die Budgetkonsolidierungen eine längere Zeitperiode benötigen, als es die Finanzmärkte zulassen. Diese bestrafen Regierungen auch mit hohen Zinssätzen, wenn ein Reformprogramm eingeleitet wurde.

Dr. Ehrlich: Ist für 2012 mit noch einem stärkeren Wirtschaftswachstum zu rechnen? Kann angesichts der Krisensituation im Euroraum noch von einem Wachstum 2013 ausgegangen werden, oder ist dies mehr vom Prinzip Hoffnung getrieben?

Karl Aiginger: Für 2012 können wir mit einem weltwirtschaftlichen Wachstum rechnen. Allerdings wird es im Euro-Raum einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung geben. Die nächsten sechs Wochen entscheiden dann darüber, ob es 2013 auch im Euro-Raum wieder ein Wachstum gibt. Dafür müssen Reformen im Bereich der Eurobonds, eines Wachstumsprotokolls und der Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche eingeleitet werden. Die österreichische Wirtschaft wächst nun schon über 10 Jahre schneller als der Euro-Raum und wird auch 2012 und 2013 wachsen.

TAL-Geschichten: Sehr geehrter Herr Aiginger, sind Sie optimistisch, dass es dank der Anfrage auf Bankenhilfe von Spanien in Zukunft für Österreich einfacher sein wird, ebenfalls eine solche Hilfe zu beantragen - gegeben die Risiken österreichischer Banken durch Ost

Karl Aiginger: Österreich ist eines der fünf stabilsten Länder in Europa. Das sieht man auch in den extrem niedrigen Zinssätzen, die Österreich für seine Staatsanleihen derzeit bekommt. Es besteht daher keine Gefahr, dass Österreich internationale Hilfe benötigt. Die großen österreichischen Banken haben zwar ein großes Ost-Risiko, aber ihre Positionen sind durch Spareinlagen gut abgesichert. Das Risiko wird von internationalen Beobachtern als zu groß eingeschätzt. Allerdings gibt es auch Spezialbanken, bei denen der Staat schon eingegriffen hat bzw. schon Eigentümer ist. Hier können noch Risken schlagend werden.

causaprima: Sind die derzeitigen Refinanzierungszinsen (Deutschland 0% gegenüber 5-7% der schwächeren Länder nicht ein Problem der Zukunft? Diese Länder sind in wirtschaftlich schweren Zeiten und müssen jährlich auch noch die hohen Zinsen zahlen, während sich d

Karl Aiginger: Haben wir mit der Diskussion von Eurobonds und der Rolle der EZB zur Verringerung der Zinsen zwischen Nord- und Südeuropa teilweise schon diskutiert. Für die Zukunft ist anzustreben, dass die Zinsdifferenz kleiner wird. Dies ergibt sich, wenn im Süden wieder Wachstum erreicht werden kann und wenn die Reformprogramme greifen.

Tintifax der ... Druide!: Halten Sie es fuer moeglich, dass die Hilfen fuer Griechenland eingestellt werden, wenn die Wahlen am Sonntag einen ueberlegenen Sieg fuer Syriza und/oder die anderen Anti-Sparmasznahmen-Parteien bringen?

Karl Aiginger: Die Lösung des Griechenlandproblems liegt in Griechenland und soll auch dort liegen. Europa hat in den letzten Tagen ein klares Signal gegeben, dass es Griechenland weiter helfen will und beide Parteien in Griechenland, die für den Wahlsieg in Frage kommen, wollen Griechenland in der Eurozone halten. Unterschiede bestehen im Ausmaß und in der Rhetorik in der eine stärkere Mitbestimmung des Konsolidierungskurses durch die griechische Regierung verlangt werden. Wenn die Wahl ein Ergebnis bringt, bei dem nur durch zwei Parteien alleine schon eine Regierung bilden können, dann könnte ein positiver Ruck durch Griechenland gehen. Voraussetzung ist eine Vision, was Griechenland in zehn Jahren produzieren will, ein Steuer- und Verwaltungssystem, das modernisiert ist, und eine stärkere Beteiligung der Jugend an den Entscheidungsprozessen.

Maximilian Maier: Fiskalunion würde "kulturelle" Unterschiede, welche sich auch in der Bereitschaft Steuer zu zahlen manifestieren, nicht beseitigen. Nicht umsonst fliegen hauptsächlich arbeitslos gemeldete spanische Piloten in Griechenland, natürlich ohne Steuern zu

Karl Aiginger: Eine Harmonisierung des Steuersystems in Europa wird längere Zeit dauern. Wichtig sind gemeinsame Grundsätze für Steuerbemessungsgrundlagen. Es sollen weiters jene Steuern gesenkt werden, die das Wachstum verhindern und jene erhöht werden, die gleichzeitig einen positiven Nebeneffekt haben. Zur letzten Gruppe zählen Steuern auf Tabak und auf Energie. Auf der anderen Seite sollen Steuern, die die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindern, gesenkt werden und die gesamte Steuerdisziplin muss erhöht werden. Es ist kein Kavaliersdelikt Steuern zu hinterziehen und Geld zur Vermeidung von Abgaben in das Ausland zu transferieren. Und es ist auch nicht richtig von ausländischen Institutionen solche Transfers attraktiv und anonym zu machen.

sinope: Die FED finanziert in den USA auch ihre Staaten, das Argument der Überschuldung finde ich schwach da die EZB die Kredite ja nicht geben muss. Eine höhere Inflation als 1% würde die Schulden auch "weginflationieren". Für mich sieht es so aus als sind

Karl Aiginger: Eine höhere Inflation ist ein gefährliches Instrument zur Senkung der Staatsschulden. Natürlich könnte die Inflation eine Spur höher sein, aber es ist dann schwer, sie in Grenzen zu halten. Ausserdem senkt Inflation die Staatsschulden auch nur, wenn die Inflation sich nicht wieder in steigenden Zinssätzen niederschlägt. Entscheidend ist, dass das wirtschaftliche Wachstum höher als der Zinssatz ist. Dann schmelzen die Staatsschulden automatisch. Dazu sollen Eurobonds mindestens so viel beitragen wie die Politik der EZB.

Schreck: im Standard, aber auch anderswo, sind in letzter zeit bedenklich antidemokratisch gesinnte Menschen zu Wort gekommen. Da wird gefordert, dass Griechenland in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion nachdem die Märkte geschlossen haben" der Euro entzogen wird.

Karl Aiginger: Die Probleme Griechenlands werden tatsächlich manchmal zum Anlass genommen, moralische Aussagen über südliche Länder und ihre Bevölkerung auszusprechen. Auch die Idee eines Nord-Euros aus dem alle südlichen Länder ausgeschlossen werden, ist eine wirtschaftlich und sozial bedenkliche Idee. Die Arbeitslosigkeit im Süden würde extrem steigen und die politischen Systeme destabilisieren. Die EU und der Euro sind Projekte für ein wirtschaftlich starkes, soziales und offenes Europa. Eine Nord-Euro-Zone wäre ein geordneter Schrebergarten mit Mauern gegenüber anderen Teilen Europas und auch das Ende der Kommunikation Europas mit seinen Nachbarländern. Österreich wäre auch wieder ein Grenzland. Europa - wie es heute besteht - ist wirtschaftlich die größte Weltregion und könnte es auch in zwanzig Jahren noch sein, wenn es weiter offen gegenüber Beitrittskandidaten und Nachbarn ist. Dafür müssen interne Probleme gelöst werden, nachher könnte Europa ein Vorbild für andere Regionen sein. Das europäische Wirtschaftsmodell gibt heute schon sozialen und ökologischen Prioritäten einen höheren Stellenwert als das amerikanische oder das asiatische Modell und es ist auch ein Friedensmodell.

Jahn Petrov: Der Fiskalpakt ist doch wirtschaftspolitisch absolut Schwachsinnig da er ein antizyklisches reagieren der Staaten verunmöglicht. Und der wird noch auf völkerrechtlicher Basis zementiert. Wer soll noch investieren in der Krise wenn nicht der Staat.

Karl Aiginger: Der Fiskalpakt ist notwendig geworden, weil Regierungen auch in guten Zeiten ihre Ausgaben zu stark ausgeweitet haben. Die Budgetdefizite gerade in einer Krisenperiode zu erhöhen, ist auch falsch, aber man kann auch heute nicht hohe Schulden noch einmal vergrößern. Die Lösung ist es, die bestehenden Ausgaben wachstums- und arbeitsplatzintensiver zu gestalten (zum Beispiel Bildungsausgaben und Firmengründungen) und das Steuersystem zu verändern. Der Fiskalpakt erlaubt in begrenztem Ausmaß in schlechten Zeiten Ausgaben zu erhöhen, für meine Position in zu geringem Ausmaß, deswegen sollte er durch ein Wachstumsprotokoll ergänzt werden. So könnte zum Beispiel die europäische Investitionsbank in höherem Ausmaß Kredite geben und die Mittel der regionalen Strukturfonds sollten stärker genützt werden. Auch aus einer Finanztransaktionssteuer könnten kurzfristig Mittel für Investitionen zur Verfügung gestellt werden, wenn diese auch langfristig zur Senkung von Konsumenten- und Unternehmersteuern verwendet werden sollte.

bepong: Sehr geehrter Herr Professor! Nach dem neoklassischen Paradigma ist der derzeitige Sparkurs ja die einzige Möglichkeit. Nun sehen wir aber anhand von zB Spanien und Griechenland, was dieser anrichtet. Unbestritten ist auch die Wirkung des Staatsausg

Karl Aiginger: Wichtig ist, dass die betroffenen Länder selbst ein Wachstumskonzept entwerfen. Natürlich gibt es auch Ideen, die jedenfalls zukunftsträchtig scheinen. So wäre es zum Beispiel wichtig, dass Griechenland seinen Energieverbrauch von Öl und Gas auf Solar- und Windenergie umstellt und ein europäisches Labor für alternative Energie wird. Es wäre auch wichtig, dass die Häfen in den südeuropäischen Ländern stärker als Brückenkopf für Nordafrika oder den arabischen Raum verwendet werden. Auch im Bereich der Maschinenindustrie und des ökologischen Fremdenverkehrs gibt es große Chancen. Die bisherigen Mittel der Regionalfonds wurden zu stark für den Straßenbau verwendet und zu wenig für Industrieparks und Gewerbezonen. Betriebsgründungen insbesondere durch junge Neuunternehmungen werden durch das Gewerberecht und andere staatliche Beschränkungen stark behindert (Beispiele: Taxi und Fuhrunternehmen).

UserInnenfrage per Mail: Wir hören immer Milliarden und sehen dann das Elend auf den Straßen von Athen. Wozu fließt Geld nach Griechenland wenn dort nicht einmal mehr Medikamente bezahlt werden können?

Karl Aiginger: Die Wirtschaftsleistung in Griechenland geht kumuliert über die letzten drei Jahre um 15% zurück und die Arbeitslosigkeit steigt über 20%. Damit steigt auch die Armut, ebenso durch Lohnkürzungen, die auch den Sozialbereich betreffen. Es ist mir unverständlich, warum Europa seine Hilfszahlungen nicht an eine Reduktion der Militärausgaben und an einen Friedensschluss in Zypern bindet und nicht verlangt, dass die freiwerdenden Mittel für Unternehmensgründungen und soziale Risken verwendet werden. Zugegebenermaßen sind diese Ideen auch in den betroffenen Ländern nicht populär, Portugal und Griechenland zählen zu den Staaten mit den höchsten Militärausgaben und die Rüstungsgüter werden vorwiegend von Frankreich und Deutschland geliefert. Die Reformprogramme sind somit sicher weder sozial, noch wirtschaftlich effizient.

steter Topfen höhlt das Sein: Was ich derzeit beobachte, ist mehr oder weniger täglich ein neues Katastrophenszenario, das von einem Experten gezeichnet wird, dem gegenüber steht dann meist eine Hypothese/Theorie eines Zweiten, die selbige entkräftet. Rückblickend auf die letzte

Karl Aiginger: Es ist richtig, dass die Wirtschaftskrise in ihrer Struktur und ihrem Ausmaß nicht prognostiziert wurde. Allerdings haben wir auf die Risken, die von dem amerikanischen Immobilienmarkt ausgehen, schon lange vor der Krise hingewiesen. Auch der Bankenaufsicht war nicht bekannt, wieviele deutsche Landesbanken Hypothekarkredite und andere riskante Produkte besitzen. Die Rechtfertigung von Prognosen besteht darin, dass sie relativ besser sind, als "Bauchmeinungen". Prognosen machen Wirtschaftspolitik möglich, indem sie Erwartungen koordinieren und politische Reaktionsmöglichkeiten früh aufzeigen. Wir haben schon im Oktober 2009, also knappe drei Wochen nach der Lehman-Krise, ein entschlossenes Gegensteuern der Wirtschaftspolitik verlangt. Zu diesem Zeitpunkt war es allgemeine Ansicht, dass die Inflation das größte wirtschaftspolitische Problem zum Beispiel in Österreich ist. Die Krise ist dann deutlich schwächer ausgefallen als die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, weil Geldpolitik und Fiskalpolitik nach den ersten negativen Prognosen und unterstützt von den Empfehlungen der Wirtschaftsforschung, rasch gegengesteuert hat.

Mr. Bankster has left the bank: Die IWF-Chefin sowie ein amerikanischer Nobelpreisträger geben dem Euro noch weniger als drei Monate, sollte es nicht gelingen, in dieser Zeit (zu welchen auch immer gearteten) Lösungen kommen sollte. Wie sehen sie das?

Karl Aiginger: Ob es drei Monate sind oder sechs Monate, kann ich nicht sagen. Die nächsten Monate sind jedenfalls entscheidend für das europäische Projekt. Es befindet sich in einer Midlifecrisis und wir müssen jetzt die Grundlagen für ein stabileres Europa mit höherem Wachstum und zusätzlichen Arbeitsplätzen liefern. Die Finanzmärkte dürfen dieses Projekt nicht stören, indem sie auch Länder die sich schon auf dem Reformkurs befinden durch hohe Zinsen bestrafen.

ModeratorIn: Lieber Herr Dr. Aiginger, danke fürs Kommen, liebe UserInnen, die Zeit ist um, viele Fragen müssen deswegen auch heute unbeantwortet bleiben. Allen noch einen schönen Tag.

Karl Aiginger: Ich danke ihnen für die interessanten Fragen und hoffe gezeigt zu haben, dass es wert ist, das europäische Projekt weiterzuverfolgen und ein besseres Wirtschaftssystem zu gestalten, das auch der Jugend eine Zukunft gibt.