Beirut/Moskau - Das erbitterte Ringen von Regierung und Rebellen um die Provinz Homs hat dieses Wochenende abermals Dutzenden Menschen das Leben gekostet. Beim Bombardement durch syrische Truppen seien dort allein in den vergangenen 24 Stunden mindestens 35 Menschen gestorben, teilten Oppositionelle am Sonntag mit. Die Soldaten Präsident Bashar al-Assads hätten Hochburgen der Aufständischen in der Stadt Homs und Orten wie Rastan ins Visier genommen. Dort hätten Assad-Gegner ihre eigenen Angriffe ausgeweitet, erklärte das Syrische Netzwerk für Menschenrechte. Russland bekräftigte am Wochenende seinen Widerstand gegen Sanktionen. Die Regierung in Moskau erntete harsche Kritik aus Israel, das Assad zugleich Völkermord vorwarf und von der Weltgemeinschaft Taten forderte.

Syrische Rebellen haben nach Angaben der Opposition eine Luftabwehrstellung der syrischen Streitkräfte erobert. Dabei seien einige Soldaten des Luftabwehrbataillons in der Provinz Homs desertiert, berichtete das Syrische Beobachtungszentrum für Menschenrechte am Sonntag in London. Von unabhängiger Seite war eine Überprüfung des Berichts nicht möglich.

Neuer Präsident des syrischen Nationalkongresses

Der Dachverband der syrischen Opposition, der Syrische Nationalkongress (SNC), hat den Kurden Abdelbasset Sida zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Das teilte der SNC am Sonntag in Istanbul mit.

Sida, der seit vielen Jahren in Schweden im Exil lebt, war der einzige Kandidat bei dem Treffen, an dem 33 Mitglieder des Generalsekretariats teilnahmen. Er ist Nachfolger des 56-jährigen Burhan Ghaliun, der den Nationalrat seit dessen Gründung im August 2011 führte. Schon vor der Wahl des neuen Vorsitzenden wurde Seida als Kompromisskandidat gehandelt. Für ihn sprach nach Angaben von Oppositionellen, dass man ihm als Angehörigen einer ethnischen Minderheit wenig Chancen einräumt, falls er nach einem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad eine Führungsrolle einfordern sollte.

"Keine Alternative"

Russland hat für ein Ende des Blutvergießens in Syrien mit Nachdruck eine internationale Friedenskonferenz gefordert. Ziel müsse die Durchsetzung des Friedensplans des internationalen Syrien-Beauftragten Kofi Annan sein, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Samstag in Moskau. "Wir sehen keine Alternative zu dem Plan", betonte er. Er bekräftigte, dass Moskau einen Abgang von Präsident Assad nur dann unterstütze, wenn die syrische Bevölkerung das entscheiden sollte, und warf islamistischen Oppositionsgruppen vor, mit gezielten Provokationen westliche Führungen zu einem gewaltsamen Regimewechsel nach libyschem Muster zu drängen.

Die russische Regierung lehne eine militärische Einmischung in den syrischen Konflikt weiter kategorisch ab, wie Lawrow betonte. Er gab sowohl dem Regime in Damaskus als auch der radikalen Opposition die Schuld an der andauernden Gewalt. Syrien stehe am Rande eines "kompletten Bürgerkrieges" mit weitreichenden Folgen für die gesamte Region. "Wir sind ernsthaft besorgt über die zunehmende Aktivität internationaler terroristischer und extremistischer Elemente", sagte Lawrow. Moskau hat auch die Einbeziehung des Iran in die internationalen Bemühungen zur Lösung des Syrien-Konflikts gefordert.

Widersprüchliche Angaben

Nachdem die Protestbewegung in Syrien im März 2011 begonnen hatte, verhinderten die UN-Vetomächte Russland und China zweimal eine Verurteilung des syrischen Regimes im Weltsicherheitsrat. Die vorjährige Libyen-Resolution, bei der es darum ging, die Zivilbevölkerung zu schützen, hatten Russland und China durch Stimmenthaltung ermöglicht. Nach Ansicht Moskaus und Pekings hatte die NATO aber das UN-Mandat überschritten und resolutionswidrig den Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddafi militärisch herbeigeführt.

Erstmals gab es am Samstag wieder ein Lebenszeichen libanesischer schiitischer Pilger, die im Mai in Syrien entführt worden waren. In einem Video, das der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera ausstrahlte, sagten die Männer, es gehe ihnen gut. Eine syrische Rebellengruppe hatte kürzlich erklärt, die elf Pilger in ihrer Gewalt zu haben. Fünf der Geiseln sind laut den Entführern Mitglieder der Hisbollah, deren Führer Hassan Nasrallah Präsident Assad seine Unterstützung ausgesprochen hatte.

UNO-Beobachter hatten am Freitag zum ersten Mal den Schauplatz eines mutmaßlichen Massakers mit fast 80 Todesopfern inspiziert. Im Dorf Al-Kubeir sei mit Bestimmtheit ein schreckliches Verbrechen verübt worden, sagte eine Sprecherin der Beobachter. Die Angaben der Bewohner seien widersprüchlich, daher müssten nun Namenslisten verglichen werden. (APA, Reuters, 9.6.2012)