Zufälliges, Elementares und Anekdotisches verschränkt: aus dem Zyklus " Antwerpen" (1991-92).

Fotos: Cibulka

Jetzt widmen sich zwei Ausstellungen seinem Gesamtwerk.

Wien/Mistelbach - Bilder seien Erfahrungsspeicher: So hat Heinz Cibulka seinen Umgang mit Fotografie zusammengefasst. Der 1943 in Wien geborene Künstler hat das Medium in vielfältiger Weise genutzt, vor und hinter der Kamera, analog und digital, die Genres durchquerend und selbst gesetzte strenge Formate immer wieder überschreitend.

Zwei Ausstellungen sind Cibulkas umfangreichem Werk zurzeit gewidmet: Stadtquartette im Fotomuseum Westlicht in WienNeubau und Im Takt von Hell und Dunkel im Hermann-Nitsch-Museum/Museumszentrum Mistelbach (MZM). Zusammen ergeben sie den bisher vollständigsten Blick auf ein OE uvre, das die gegenwärtige Kunst begleitet und mitgeprägt hat, ohne sich von ihr in eine Schublade stecken zu lassen.

Seine Querformate, je zwei mal zwei Fotos pro Arbeit, hätten so eine Schublade werden können. Mit diesen Quartetten ist er bekanntgeworden, durch sie schafft Cibulka "Bildgedichte": Was sein Kollege und Mentor Peter Kubelka filmisch, also zeitlich angeordnet hat, die Montage, führt Cibulka räumlich durch. Er lässt Elementares und Anekdotisches zusammenprallen, Zufallsreize und durchdachte Sujets ergeben neue Inhalte. Fisch und Fleisch, Körpersäfte, Verwesung - konterkariert von Momenten zeitloser Idylle, Zeugnissen von Kultur. Und dann wieder Existenzielles, "Töten, Fressen, Zeugen, Gebären", wie er es definiert hat.

Er fand und komponierte sein Material zunächst vor allem in Wien und im Weinviertel, ab den Achtzigerjahren auch auf Reisen in europäische Städte und andere Kontinente. Das betont Körperliche in Cibulkas Arbeiten hat Grund und Vorgeschichte. Durch seinen Kollegen an der Graphischen Rudolf Schwarzkogler Ende der 1950er kam er in den Kreis der Wiener Aktionisten und fungierte dort als "passiver Akteur", das heißt als Sujet in vielen der Fotodokumente und Schmalfilme aus der Zeit - im Westlicht sind sie in einem eigenen Raum ausgestellt. Sie haben zu den damals üblichen Skandalen geführt und schließlich dazu, dass Cibulka 1974 seine Arbeit als Gebrauchsgrafiker verlor und sich umso mehr auf die Fotografie konzentrierte.

Großformatige Collagen

Cibulka auf die Quartette zu reduzieren wird ihm ebenso wenig gerecht, wie den Leiter der Wiener Werkstätte wegen seiner Vorliebe für Geometrisches nur "Quadratl-Hoffmann" zu nennen. Wie er die Technik der Montage zur Collage erweiterte, die Formate sprengte und auf neue Weise Bilder ver-dichtete, deutet bereits die Ausstellung in Wien an: In Mistelbach hat ihm sein seinerzeitiger Aktions-Regisseur Hermann Nitsch den Platz gegeben, neben seiner Installation Stammersdorf (1972) und frühen Objekten vor allem extrem großformatige Digitaltableaus und multimediale Arbeiten auszustellen.

Sie belegen, dass Heinz Cibulka mithilfe des Computers seine technischen Möglichkeiten souverän erweiterte, dass er aber seinem Ziel treu geblieben ist: in den scheinbar zufälligen Ausflüssen des Alltags urtümliche, auch schockierende Kräfte aufzuspüren: Fotoerzählungen als Elementarereignisse.   (Michael Freund,   DER STANDARD, 9./10.6.2012)