Ein angenehmer Nebeneffekt des Frühlings ist, dass die meisten Pflanzen jetzt ansehnliche Blätter haben. Das gilt auch für Wurzelgemüse. Manche davon sind viel zu schön und gut, um sie wegzuschmeißen – stattdessen sollten sie gegessen werden.

Rote-Rüben-Blätter gehören dazu: Die gestreiften Stiele, die fast in Regenbogenfarben leuchten, und die grünen Blätter mit den violetten Adern sehen aus wie Gemüse aus einer frühen Folge von "Raumschiff Enterprise". Das Blatt schmeckt sehr ähnlich wie Mangold, mit dem die Rübe eng verwandt ist. Die Stängel wiederum liegen auch geschmacklich zwischen Knolle und Blatt: Von Ersterem haben sie die erdig-süße Note, von Zweiterem die leichte Bitterkeit.

Einige Bauern dürften erkannt haben, dass sich durch den Extra-Blätterverkauf mit der Rübe zweimal Geld verdienen lässt, jedenfalls kommt mir vor, dass sie heuer auf Wiener Bauernmärkten deutlich öfter angeboten werden als in früheren Jahren. Hin und wieder sind sie aber auch mit den jungen Rüben dran zu haben, was einem ein vegetarisches Nose-to-Tail-Vergnügen beschert.

Foto: Tobias Müller

Seltener genossen, aber ebenfalls köstlich sind Radieschenblätter. Optisch zugegeben keine Offenbarung, weil einfach nur unauffällig blassgrün, duften sie dafür herrlich pfeffrig, wenn sie frisch sind, und haben eine gewisse pelzige Knackigkeit, die zum Hineinbeißen verleitet. Geschmacklich erinnern sie ein wenig an milden Sauerampfer und haben einen spannenden Biss. Wer junge Radieschen bekommt, sollte sie keinesfalls ohne Blätter kaufen.

Eigentlich hätte in dieser Liste auch noch das Kohlrabi-Blatt stehen sollen, da ich aber diese Woche wenig Zeit hatte und keine appetitlichen Kohlrabi-Blätter gefunden habe, fehlen sie leider – Fortsetzung soll folgen. Eine Bitte an die Poster: Vervollständigen Sie diesen bescheidenen Anfang mit diversen Blattrezepten! Wen das alles nicht interessiert: Weiter unten geht's um die kommende Kaffee-WM.

Rote-Rüben-Blätter und ihre Stiele

Die Blätter waschen, schleudern, die festen Stiele entfernen und den Rest schneiden und wie Mangold verarbeiten – in meinem Fall habe ich sie mit Knoblauch und Schalotten in Olivenöl gebraten.

Sie sind etwas fester als etwa Spinat und brauchen daher ein wenig länger. Mit weich gekochten mehligen Erdäpfeln und etwas Olivenöl mischen und etwa zu Spargel servieren.

Foto: Tobias Müller

Die Stiele kann man entweder klein schneiden und zwecks Konsistenz-Auffettung ebenfalls mit den Blättern garen, allerdings bleiben sie dabei mitunter etwas erdig und fasrig.

Foto: Tobias Müller

Köstlich werden sie hingegen, wenn man sie in Rote-Rüben-Saft für eine halbe Stunde gart – ich habe dafür die gleiche Heim-Sous-Vide-Methode verwendet wie für die Erbsen.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Nach dem Garen die Flüssigkeit zu einem Sirup reduzieren und die Stängel damit glasieren. Das Ergbnis ist butterweich und herrlich süß (passt damit aber eher nicht mehr zu Spargel!) und lässt sich nicht nur mit den Blättern gemeinsam, sondern auch gut als Nachspeise essen, etwa zu einer Creme Caramel oder Blauschimmel. (Die Idee verdanke ich dem Herrn Bühler und seinem spannenden Käsegang).

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Radieschensalat

Sehr simpel: Die Blätter waschen und die Stängel abtrennen und wegwerfen – sie schmecken einfach nicht sehr überzeugend. Es fällt dafür deutlich leichter als bei den Roten Rüben, weil sie nicht besonders attraktiv sind. Mariniert habe ich sie mit einer Vinaigrette aus Olivenöl, Rotweinessig und Dijonsenf, ziemlich gut dazugepasst haben die Zungenreste von den Erbsen-Eskapaden.

Foto: Tobias Müller

Kaffee-WM in Wien

In der letzten Ausgabe eines internationalen Kaffeefachmagazins ist der Wiener Christkindlmarkt am Cover. Das liegt nicht daran, dass es hier so guten Kaffee gibt – großteils ist er furchtbar -, sondern daran, dass hier ab kommendem Dienstag die Weltmeisterschaft im Kaffeekochen stattfindet. In Österreich ist das bisher kaum jemandem aufgefallen.

Jetzt ist das Land in puncto Kaffeekultur im besten Wortsinn ein Entwicklungsland, Wertschätzung für und Wissen um guten Kaffee sind kaum vorhanden. In Wien (und wahrscheinlich auch anderswo in Österreich, aber dort bin ich so selten) hat sich jedenfalls in den vergangenen Jahren eine kleine, dafür aber sehr sympathische Szene entwickelt.

Diese Leute können Ihnen stundenlang erzählen, warum die Mühle das Wichtigste am Kaffeemachen ist, wie die Kaffees aus verschiedenen Gegenden verschieden schmecken (grob: Südamerika hat Körper, Afrika Frucht) und warum für viele Menschen, die sich auskennen, Filterkaffee interessanter ist als Espresso. Ich hatte die vergangenen Tage die Ehre, mich bei drei von ihnen etwas durchzukosten – kommende Woche im Rondo gibt's mehr dazu.

Das mit dem Marketing läuft jedenfalls noch nicht optimal unter den Kaffeeebrauern. Es gibt keine offiziellen Poster für die Kaffee-WM. Eine Coffee-Map, eine Karte, auf der alle engagierten Kafffeebrauer verzeichnet sind, ist auch nur zustande gekommen, weil einige von ihnen das in letzter Sekunde selbst in die Hand genommen haben. Die kommenden Tage sind sicher eine perfekte Gelegenheit, um sich in den Kaffeegeschäften herumzutreiben, so viele Kaffeeinteressierte kommen so schnell nicht mehr in diese Stadt.

Hier eine kleine Übersicht, Ausgelassene mögen mir verzeihen

Im neunten Bezirk, gleich beim Campus, hat Robert Gruber vor sieben Monaten People on Caffeine aufgesperrt. Der Mann hat davor in diversen Gastro-Jobs gearbeitet, ist Spirituosen-Sommelier und österreichischer Meister im Filterkaffeemachen – er darf daher auch bei der WM antreten. Seinen WM-Kaffee, einen Kenianer, kann man bei ihm auch verkosten, wer sich auskennt, sollte junge Blaubeere, etwas Rhabarber und Butter schmecken. Er bezieht seinen Kaffee von den belgischen Röstern der Caffenation.

Seit vergangenem Donnerstag gibt es in der Josefstädter Straße 35 das winzige Kaffeemodul (Homepage auf Facebook). Es gehört Johannes Runge, der früher in der Kaffeefabrik gearbeitet hat, und Boris Ortner, einem ehemaligen Barista des Orlando di Castello. Ihr Kaffee kommt derzeit teilweise von Quijote Kaffee aus Hamburg und vom Coffee Collective aus Kopenhagen. Soweit ich weiß, sind sie die Einzigen, die in Wien derzeit eine Cold Extraction anbieten, also Kaffee, der kalt 24 Stunden ziehen durfte. Reingehen und nachfragen!

Tobias Radinger war einer der Pioniere der "third wave of coffee" in Wien, seine Kaffeefabrik in der Favoritenstraße hat nun ebenfalls eine kleine Brew Bar für Filterkaffee. Er ist einer der wenigen in Wien, die ihre Bohnen selber rösten, und bezieht seinen Kaffee teilweise direkt von den Produzenten, ganz ohne Zwischenhändler. Zwar kein Direktimport, aber besonders spannend: der Amaro Gayo aus Äthiopien, der herrlich nach Blaubeere riecht und schmeckt.

Gregor Brany und sein Caffe Couture in der Garnisongasse 18 haben es nicht so mit dem Filter und sind eher auf Espresso spezialisiert. Sein Equipment gilt unter den Kollegen als eines der besten, Leute, die sich besser auskennen als ich, sagen das auch von seinem Espresso.

Rüdiger Eggers betreibt die Kaffeezentrale in der Goldschlagstraße 169 und ist einer der Chefs der Speciality Coffee Association Austria, weil ich es aber bisher nicht in seinen Laden geschafft habe, kann ich wenig dazu sagen. Einen weiteren mir unbekannten, aber angeblich guten Shop findet man hinter der Wiener Markthalle am Alsergrund. (Tobias Müller, derStandard.at, 10.6.2012)

In eigener Sache: Nach ein paar fast heimlichen Testwochen gibt's den Gruß aus der Küche jetzt auch offiziell auf Twitter: twitter.com/#!/grussauskueche