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Rettungsschirm-Inanspruchnahme im Falle einer EU-Hilfe für Spanien. Die Zahlen lieferte Raiffeisen.

Grafik: APA

Wien - Spanien soll, so sagen es informierte Quellen, an diesem Wochenende einen Hilfsantrag beim europäischen Rettungsschirm EFSF stellen, um damit die wankenden Banken zu stützen. Wieviel Geld dafür nötig wird, verlautete vorerst noch nicht. Ratingagenturen gehen von bis zu 100 Milliarden Euro aus, die die Rettung der spanischen Banken kosten kann. Für Portugal wird indes ein Nachschlag befürchtet. Auch Zypern könnte ein Hilfspaket brauchen.

Die Analystinnen Julia Neudorfer und Eva Bauer von Raiffeisen Research in Wien haben in einer am Freitag publizierten Studie erhoben, wer noch Platz hat unterm Rettungsschirm, und ob die Ende März beschlossene Aufstockung der Mittel für die Euro-Rettungsschirme den Bedarf aller Länder wird decken können.

Fazit: Für Hilfen für Spanien mit seinem bis 2014 fälligen Anleihe-Refinanzierungsbedarf und für dortige Bankenrekapitalisierung sowie allenfalls nochmals für Portugal reichte es gerade aus. Sollte die Krise allerdings Italien anstecken, könnte dessen Anleihemarkt nicht mehr gestützt werden.

Detaillierte Auflistung

Die Euro-Rettungsfonds EFSF (die bestehende temporäre Fazilität) und der neue, dauerhaft angelegte ESM (der Europäische Stabilitäts Mechanismus) sollen einen bis zu 800 Milliarden Euro schweren Schutzwall bilden, um Krisenländer vor Turbulenzen zu wappnen.

Raiffeisen gliedert auf, wie sich die von der EU genannte Gesamtsumme von 700 bzw. 800 Milliarden Euro zusammensetzt:

* 500 Milliarden Euro sind das ESM-Zielvolumen. Es steht erst im ersten Halbjahr 2014 nach der vollständigen Kapitaleinzahlung von 80 Milliarden Euro - oder mindestens 15 Prozent des Ausleihevolumens zur Verfügung. Als Überbrückung kann bis Juni 2013 - in Ausnahmefällen und bei einstimmigem Okay der Eurogruppe - noch auf die keinem Hilfsprogramm zugeteilten Mittel des EFSF zurückgegriffen werden: Konkret auf 217 Milliarden Euro von insgesamt 440 Milliarden Euro.

* 223 Milliarden Euro sind bereits den bestehenden EU-Rettungsprogrammen (für Portugal, Irland und Griechenland) zugeteilt. Dieses Volumen steht bis zum Ablauf der Kredite zusätzlich zum ESM-Zielvolumen zur Verfügung.

* 53 Milliarden Euro wurden als bilaterale Kredite der einzelnen Euro-Staaten für Griechenland gewährt.

* 48,5 Milliarden Euro an EFSM-Geldern (Mittel aus dem EU-Budget) wurden im Zuge der Hilfsprogramme Portugal, Irland und Griechenland zugeteilt.

Die Analysten gehen (wegen des möglichen Hilfsbedarfs und drohender Finanzierungslücken in Krisenländern, Anm.) davon aus, dass "der EU zu keinem Zeitpunkt die von ihr kommunizierten Mittel in vollem Ausmaß zur Verfügung stehen werden".

Kein Raum für Italien

Berücksichtige man bereits designierte Auszahlungen, stünden im Juni noch 217 Milliarden Euro an EFSF-Mitteln für Ausleihungen bereit, im Juli erhöhe sich dieser Betrag mit einer erstmalig fällig werdenden Kapitaleinzahlung an den ESM von 107 Milliarden Euro dann auf 324 Milliarden Euro. Weitere 107 Milliarden würden im Oktober dieses Jahres fällig, womit sich das ESM-Ausleihevolumen auf 430 Milliarden erhöhen werde.

"Ist das ESM-Volumen bis Mitte des nächsten Jahres ausreichend, das heißt: muss nicht auf die übriggebliebenen EFSF-Mittel zurückgegriffen werden, würde das Ausleihevolumen der Schutzschirme mit dem Auslaufen der ungenützten EFSF-Mittel mit Juli 2013 auf 320 Milliarden Euro reduziert, bevor dann nach der Einzahlung zwei weiterer Kapitaltranchen Mitte 2014 endgültig das volle Volumen von 500 Milliarden erreicht werden würde", schreiben die Analystinnen.

"Ob die Mittel nun ausreichend sind, um zusätzlichen Bedarf abzudecken, hängt abgesehen von der Summe auch vom Zeitpunkt der Hilfsansuchen einzelner Mitgliedsstaaten ab", so Neudorfer und Bauer. "So würden Spaniens Anleiheabreifungen bis 2014, der Kapitalbedarf der Banken sowie ein neues Hilfspaket für Portugal die zum Ende des dritten Quartals verfügbaren Mittel vollständig aufbrauchen. Somit könnte bei einem - wenn auch im Moment nicht als wahrscheinlich erachtetem - Übergreifen der Schuldenkrise auf Italien, dessen Anleihenmarkt nicht mehr gestützt werden".

Schlankes Hilfspaket

Im Bedarfsfall könnten wegen Spanien oder Portugal ESM-Kapitaleinzahlungen vorgezogen oder Garantien für den EFSF verlängert werden. Sollte Spanien bloß um EFSF/ESM-Gelder zur Rekapitalisierung seines Bankensektors ansuchen, wäre das dafür nötige EFSF/ESM-Instrumentarium bereits verfügbar. Auch unterläge ein solches "schlankes" Hilfspaket nicht so strengen Auflagen durch die Gläubiger wie bei den normalen Hilfspaketen.

"Tatsächlich dürfte das bestehende Instrumentarium bereits auf Spanien zugeschnitten worden sein", vermuten die Expertinnen. Sie schätzen den Rekapitalisierungsbedarf der spanischen Banken auf 80 bis 100 Milliarden Euro. Fraglich ist aber, ob der Euro-Schirm nicht trotzdem den Umweg über den Staat gehen muss - denn die nötigen Spritzen können bisher nicht direkt für die betroffenen Banken fließen. Hier könnten noch Vertragsstreitereien blühen.

Dem Nachbarland Portugal stellte die EU zwar ein gutes Zeugnis aus, ein zweites Hilfspaket erscheint vielen aber trotzdem nötig. Laut Raiffeisen könnte das im 2. Halbjahr verabschiedet werden. Den Umfang nehmen die Analystinnen - mit Blick auf die bis 2015 fälligen Anleihen - mit rund 40 Milliarden Euro an. (APA, 8.6.2012)