Mittels Tusche (aquarelliert) ließ Boeckl 1950 zwei Hühner tanzen (12. 000 Euro).

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"Meiner Maria" widmete Herbert Boeckl das im März 1923 in Paris ausgeführte Selbstbildnis. Im gleichen Jahr erwarb es das Belvedere aus dem Kunsthandel.

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"Der Künstler macht einen Fleck auf die Leinwand und gibt dann diesem Fleck unbewusst eine wesentliche Gestalt": Tektonischen Schichten gleich türmte Herbert Boeckl dick-pastose Farben zu Öllandschaften auf oder abstrahierte die Natur in Aquarellserien, mit Farbflecken von berührender Zartheit. Für den 1894 in Klagenfurt geborenen Ingenieurssohn war Kunst nie nur magisches Gleichnis der Wirklichkeit und Natur eines seiner großen künstlerischen Themen.

Vor allem Landschaften, in die der Mensch eingegriffen und sie augenfällig verändert hatte, faszinierten ihn - der steirische Erzberg etwa. Das Tote Gebirge. Der Steinbruch von St. Margarethen. Oder seine Kärntner Heimat, der Wörthersee, kleine Dörfer, Hügellandschaften. Sein Credo: "Ein Maler muss die Welt nicht abmalen, sondern verwandeln."

In Maria Saal, wo er die verschiedensten Ansichten des Ulrichbergs studierte, erlebte er eine seiner größten Kränkungen: 1928 malte er im Dom zu Maria Saal sein erstes Kirchenwerk. Doch die Errettung Petri aus dem See Genezareth wurde anderntags verhängt. Die Kirchenherren wollten im ertrinkenden und von Jesus geretteten Petrus Lenin erkennen.

Erst 1982, 16 Jahre nach seinem Tod, wurde das Fresko wieder enthüllt. Der Künstler, sagte er einmal, sei ein Auserwählter, den der Strahl des Göttlichen treffe: "Aber der Strahl verbrennt ihn. Und aus der ungeheuren Erhebung stürzt der Künstler in das Nichts. In die Verzweiflung."

Drastisch und berührend: Boeckls Anatomiezyklus. Im Seziersaal des Franz-Joseph-Spitals malt und zeichnet er sich zu Beginn der 1930er-Jahre an seine immer wiederkehrenden Themen heran: Leid, Vergänglichkeit, Tod. Aber auch Ewigkeit, Schönheit der Seele. Unsterblichkeit: "Ein künstlerischer Schaffensprozess hat in seinem tiefsten Inneren eine gläubige Seele zur Voraussetzung."

Ein Jahrzehnt arbeitete Boeckl am Liebfrauenaltar der Sankt-Salvator-Kirche in Wien-Favoriten. Das Mittelbild - Hymnus an Maria - brachte ihm 1954 den Großen Österreichischen Staatspreis ein; das Gesicht der Madonna trägt die Züge seiner Frau und Muse Maria Blaha, seine neun Kinder waren Modelle für Jesuskind, Engel und Heilige.

Zwischen 1952 und 1960 malte er sein religiöses Hauptwerk, das alle vier Wände umspannende Fresko für die Engelskirche des Benediktinerstiftes in Seckau, in dem er die Erlösungsgeschichte und den Endzeithorror zur einer, zu seiner künstlerischen Vision verschränkt.

Zu dieser Zeit zählte Boeckl, dessen künstlerisches Talent von Egon Schiele entdeckt worden war und der später zu einem künstlerischen Vorbild der Neuen Wilden werden sollte, längst zu den wichtigsten österreichischen Künstlern seiner Zeit.

Zweimal, 1950 und 1964, bespielte er den Österreich-Pavillon auf der Biennale von Venedig. Zweimal, 1945 und 1962, wurde er als Rektor an die Wiener Akademie der bildenden Künste berufen: jene Akademie, die ihm 1912 die Aufnahme verwehrt hatte. Und an der er ab ab 1934 die Malklasse und ab 1939 den legendären Abendakt leitete.

In zahlreichen Selbstbildnissen erforschte Boeckl, Privatschüler von Adolf Loos, auch immer wieder seine eigene Seelenlandschaft und postulierte: "Jede Porträtmalerei müsste vom Gedanken der Unsterblichkeit ausgehen." (Andrea Schurian, Album, DER STANDARD, 9./10.6.2012)