Glaubt weiter an den Kauf der Reininghaus-Gründe durch die Stadt: Die grüne Vizebürgermeisterin von Graz, Lisa Rücker.

Foto: derStandard.at/Blei

Die Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker erzählte dem STANDARD, wie sie Höhen, Tiefen und das Ende der schwarz-grünen Koalition erlebt hat. Man habe auch Druck von den rot-schwarzen Reformpartnern gespürt.

STANDARD: Stimmt es, dass Sie Siegfried Nagl 15 Minuten vor seiner Pressekonferenz anrief, um Ihnen das Koalitionsende mitzuteilen?

Rücker: Vier Minuten. Nein, er hat mich 15 Minuten vorher angerufen, dann bin ich aus einem Termin raus und habe zurückgerufen.

STANDARD: Große Überraschung?

Rücker: Ich bin aus allen Wolken gefallen.

STANDARD: Der Grund war offiziell der Termin für die Umfrage zum Reininghaus-Kauf. Gegen den Kauf oder die Bürgerbefragung an sich sind Sie aber bis heute nicht, oder?

Rücker: Nein, da sind wir einer Meinung. Es ging nur um den Termin und um eine seriös vorbereitete Befragung. Daran sieht man: Es war eine vorgeschobene Sache.

STANDARD: Welche Gründe vermuten Sie?

Rücker: Druck, dem Nagl nicht mehr standgehalten hat.

STANDARD: Druck von wem?

Rücker: Er hat unsere Politik in der Partei offensichtlich nicht überall durchgebracht. Bei den Bünden und Einzelnen in der Fraktion. Da hat er ein Ausstiegsszenario gebraucht. Und ich denke, er wollte sich vor der Wahl freispielen.

STANDARD: Das klingt nach Kalkül. Doch viele sagen, Nagl habe die Entscheidung emotional getroffen.

Rücker: Die Emotion kam vom Druck, der sich etwa um die Umweltzonen aufgebaut hat. Für die hat sich der Bürgermeister sehr weit hinausgelehnt. Da stand er als Mr. Umweltzone da, und das hat insbesondere im Wirtschaftsbund eine starke Gegenbewegung ausgelöst. Das hat ihn belastet.

STANDARD: Die offene Reininghaus Gesellschaft, Bürger, die sich mit der Entwicklung des Stadtteils beschäftigen, kritisieren nicht nur Nagl, sondern auch Sie für das Zurückhalten von Informationen.

Rücker: Es gibt das Programm Öko-Stadt, das die Grünen mit eingebracht haben, als der Rahmenplan beschlossen wurde. Darüber wurde viel kommuniziert.

STANDARD: Das ist über ein Jahr her.

Rücker: Da hat sich nichts geändert, aber wie der Grundstückserwerb dort ausschauen soll, wie die Infrastruktur dort finanziert werden soll, das ist von der ÖVP mit der Bank verhandelt worden, da haben wir genauso viel wie alle anderen auf dem Tisch. Man kann daran zweifeln, ob jetzt alles auf dem Tisch liegt. Das, was als Finanzierungsvariante der Stadt vorliegt, schien plausibel.

STANDARD: Wie sieht die aus?

Rücker: 75 Millionen ist die gesamte Summe. 50 Millionen würden haftungslos als Darlehen von den Besitzern übernommen werden, und 25 Millionen müssen wir ablösen durch andere Grundstücke, die man verkauft.

STANDARD: Welche Grundstücke überlegt die Stadt zu verkaufen?

Rücker: Es gibt eine Liste von Grundstücken, die weit über 25 Millionen ausmachen.

STANDARD: Welche Grundstücke?

Rücker: Ich finde es nicht gut, in der Öffentlichkeit genaue Grundstücke anzugeben, weil dann die Preise und die Preispolitik massiv beeinflusst werden.

STANDARD: Waren Sie als Juniorpartner zu selbstbewusst?

Rücker: Dazu stehe ich. Wir haben von acht Prozent auf 15 zugelegt, das war ein klarer Auftrag. Es war nie ein Geheimnis, wofür wir stehen. Alle Punkte im Koalitionsvertrag haben wir klar definiert. Es gibt auch ein paar junge Grüne, die sagen, wir hätten uns zu sehr verbogen. Dass es Grüne gibt, die mit Schwarz-Grün nie leben konnten, ist auch kein Geheimnis.

STANDARD: Es gab während der Koalition Entscheidungen, die man nicht gemeinsam treffen konnte. Stichwort: Alkoholverbot, das die ÖVP mit FPÖ und BZÖ zusammen beschloss, und das Bettelverbot.

Rücker: Wir waren beim Bettelverbot wirklich sehr knapp vor dem Bruch der Koalition, als Nagl eine Bürgerbefragung wollte. Wir haben die Reißleine gezogen. Es war dann eine Landesentscheidung.

STANDARD: Wo sind Sie sich am meisten entgegengekommen?

Rücker: Wir haben uns auf die Budgetkonsolidierung massiv eingelassen. Da haben wir uns sehr gut zusammengerauft. Das war mühsam, aber dass die Holding Graz eine hundertprozentige Tochter der Stadt und eine GmbH und keine Aktiengesellschaft ist, dafür haben wir massiv gearbeitet. Das war für uns Grüne eine große Herausforderung. Und die ÖVP hatte eine klare Position zum Moscheebau, was sicher auch dazu geführt hat, dass wir hier keine Proteste hatten. Das ist sicher ein Verdienst vom Bürgermeister, da ist er sehr weit gegangen. Auch im Bereich der Integration: Dass sich Nagl dazu bekennt, dass Graz eine Zuwanderungsstadt ist, ist das Gegenteil von der Bundes-ÖVP - von Sebastian Kurz abgesehen.

STANDARD: Beeinflussten die rot-schwarzen Reformpartner Nagl?

Rücker: Der Wunsch, die Landeshauptstadt in die gleiche Richtung zu polen, war rundherum spürbar. Ich glaube, in Finanzverhandlungen und bei den Umweltzonen ist einiges gelaufen, wo das Land fragte: Kann man auch in Graz wieder mit Rot-Schwarz rechnen?

STANDARD: Zwei Styria-Medien publizierten am Mittwoch je eine Umfrage: In einer stagnieren die Grünen und die ÖVP legt drei Prozent zu, in der anderen legen Sie sechs Prozent zu und die ÖVP verliert sieben. Was sagt Ihnen das?

Rücker: Interessantes Stimmungsbild, wenn ein Konzern so unterschiedliche Umfragen veröffentlicht. Und es zeigt, dass Umfragen ein Teil der politischen Kommunikation sind. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 8.6.2012)