Robert Döpels "Uranmaschine"

Foto: Universitätsarchiv Leipzig

Leipzig - Auf einen weniger bekannten Vorfall in der Geschichte der Atomenergie weist die Universität Leipzig hin: Der erste Störfall ereignete sich bereits im Jahr 1942 - ein gutes Jahrzehnt vor Beginn der kommerziellen Nutzung der Kernkraft. 70 Jahre danach erinnert die Universität mit einer öffentlichen Sonntagsvorlesung am 24. Juni an die "Uranmaschinen-Versuche" von damals.

Der Vorfall von 1942 geriet wieder ins öffentliche Bewusstsein, als der Kernphysiker Dietmar Lehmann gemeinsam mit dem Physiker Christian Kleint Anfang der 1990er Jahre für den Band "Werner Heisenberg in Leipzig. 1927 - 1942" für die Sächsische Akademie der Wissenschaften recherchierte. Sie fanden einen Koffer voller Unterlagen, in denen es unter anderem auch um den Uranbrand im Juni 1942 ging. 

Der Vorfall

Diesem Vorfall sei eine Reihe von Experimenten des Physikers Robert Döpel vorausgegangen, der die Neutronenvermehrung nachweisen und damit die technische Nutzbarmachung von Kernenergie erforschen wollte, berichtet die Universität. Bei einem habe sich der Werkstattmeister die Hand verbrannt, als er im Auftrag des Physikers zwei Esslöffel Uranpulver in ein Aluminiumgefäß streuen wollte. "Auch schon dabei entstand ein Brand", sagt Lehmann.

Die Kernspaltung selbst - dessen waren sich die Physiker damals bereits bewusst - ist ein Prozess, der sehr viel mehr Energie freisetzt. Als die Versuche beendet waren, ließ Döpel am 23. Juni 1942 erstmals den Einfüllstutzen der Uranmaschine öffnen. Aus diesem waren ein paar Tage zuvor Gasblasen ausgetreten. Es zischte. Einige Sekunden danach schoss eine Stichflamme aus der Apparatur, das Uran verbrannte und sprühte Funken. "Das war zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet worden", sagt Lehmann. Gerade, als das Feuer drei Stunden später unter Kontrolle schien, entfachte es aufs Neue. Das Kugelgefäß mit dem Uranpulver zersprang, die Glut des Uranpulvers sprühte sechs Meter in die Höhe. 

Feuerwehreinsatz

Die Wissenschafter riefen die Feuerwehr, die den Brand mit Decken und Schaum eindämmte und in der darauf folgenden Nacht eine Brandwache stellte. In der nächsten Nacht überwachten Döpel und seine Kollegen den Brandherd selbst und erst am Tag darauf brannte nichts mehr. Die Wissenschafter wurden damals zwar einer geringen Dosis Strahlung ausgesetzt. Über gesundheitliche Schäden wurde aber nichts berichtet - Döpel selbst starb 1982 kurz vor seinem 87. Geburtstag.

"Natürlich war das der erste Störfall in der Geschichte der Kernkraft", sagt der Dekan der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Jürgen Haase. "Die Leipziger Physik hat damals bahnbrechende Forschung auch auf dem Gebiet der Kernphysik betrieben. Dabei kann auch mal etwas passieren." (red, derStandard.at, 6.6.2012)