Wahlversprechen sind dazu da, gebrochen zu werden. Dies gilt in Russland genauso wie im Rest der Welt. Und so sollten sich die Russen nicht wundern, dass die vom Wahlkämpfer Wladimir Putin versprochenen demokratischen Reformen vom Präsidenten Putin nicht umgesetzt werden. Die Wiedereinführung der Gouverneurswahlen ist eine Mogelpackung ebenso wie das neue Parteiengesetz.

Und nun setzt Putin mit dem neuen Demonstrationsgesetz eindeutig auf Konfrontation statt Dialog. Das Kalkül dahinter ist einfach: Abschreckung. Zwar wurde die zunächst geplante Strafverfolgung von Demonstrationsteilnehmern mit Haftstrafen nach internationalem Protest in Geldstrafen umgewandelt, doch die haben es in sich. Umgerechnet bis zu 7500 Euro muss eine Privatperson bei Verstoß gegen das Versammlungsrecht zahlen. Angesichts immer noch bescheidener Einkommen ist das viel Geld.

Entscheidender noch als die Summe ist die russische Rechtsprechung mit ihrem Hang zur Verurteilung. Die Wahrscheinlichkeit, dass Angeklagte in Russland freigesprochen werden, ist deutlich geringer als in Europa. Notfalls wiegen die Anschuldigungen prügelnder Polizeibeamter von der Spezialeinheit Omon mehr als dutzende Zeugenaussagen zugunsten des Angeklagten. Und so müssen Oppositionelle in Zukunft genau rechnen, ob sie es sich leisten können, gegen Putin aufzutreten. (André Ballin, DER STANDARD, 6.6.2012)