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Keine guten Alternativen in Sicht: Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy.

Foto: Reuters/Andrea Comas

Spanien hat erstmals offen Probleme bei der Beschaffung frischen Gelds an den Finanzmärkten eingeräumt. "Wir haben derzeit de facto keinen Zugang zum Finanzmarkt", sagte Finanzminister Cristóbal Montoro. Grund sind die hohen Zinsen, die das Land Investoren bieten muss. Für zehnjährige Anleihen kletterte der Zinssatz in der vergangenen Woche auf bis zu 6,7 Prozent.

Die Märkte werteten die Aussagen Montoros als weiteren Hinweis darauf, dass Spanien die EU um Finanzhilfe bitten wird. In einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz zeigten sich die sieben wichtigsten Industrienationen (G 7) einig, das Schuldenproblem gemeinsam zu lösen.

Mehrere Optionen am Tisch

Wien/Madrid - Ungewöhnlich offen hat der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro am Dienstag über die Probleme seines Landes gesprochen. Die hohen Zinsen, die Madrid für seine Schulden bezahlen muss, bedeuten, dass "für Spanien die Tür zum Markt geschlossen ist", sagte er dem Radiosender Onda Cero. Damit wird ein milliardenschweres Rettungsprogramm für Spanien wahrscheinlicher. Doch die Eurozone ringt noch um die richtige Strategie - mehrere Optionen liegen auf dem Tisch:

- Eine Rettungsaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) ist eine bevorzugte Variante der spanischen Regierung. Die EZB könnte Spanien " innerhalb von 24 Stunden helfen", die Lage an den Märkten in den Griff zu bekommen, sagte Premier Mariano Rajoy unlängst.

Seit Mai 2010 hat die Zentralbank Staatsanleihen in Höhe von 212 Milliarden Euro gekauft, um damit die Zinsen für Italien und Spanien zu senken. Ende Februar hat die EZB dieses Programm eingestellt. Experten sehen eine Wiederaufnahme der Käufe kritisch: Die Großbank Société Générale argumentiert, dass es der EZB nur kurz gelungen sei, Abhilfe zu schaffen. Solange die EZB kauft, sinken die Zinsen, aber die Notenbank könne nicht ewig kaufen. Die deutsche Bundesbank sieht das Anleihenprogramm kritisch, weil es Investoren die Möglichkeit bietet, ungeliebte Papiere abzuladen und weil es ihrer Ansicht nach Aufgabe der Politik wäre, für ein niedrigeres Zinsniveau zu sorgen.

- Bankenhilfe über den Rettungsschirm ist die zweite Variante, für die sich Rajoy stark macht. Angeschlagene Geldhäuser wie die spanische Bankia könnten sich an den Rettungsschirm ESM (oder seinen Vorgänger EFSF) wenden. Der Vorteil: Spaniens Verschuldung würde nicht steigen, weil der Rettungsschirm nur Banken beispringen würde.

Zudem könnte das Beispiel Schule machen: "Wir blicken derzeit auf Spanien, weil dort das Bankenproblem virulent geworden ist. Aber auch in anderen Staaten sind Geldhäuser unterkapitalisiert. Nur eine einheitliche europäische Lösung, die alle nutzen können, macht Sinn", meint Cinzia Alcidi vom Brüsseler Forschungsinstitut Centre for European Policy Studies.

Doch auch die Nachteile sind vielfältig: Der Gründungsvertrag des Rettungsschirmes ESM (ebenso wie jener des EFSF) sieht vor, dass nur Staaten um Hilfe ansuchen können - und sei es nur, um ihre Banken zu retten. Soll sich das ändern, müsste der ESM-Vertrag von allen Euroländern neu ratifiziert werden. Das kostet Zeit. Außerdem steigt das Risiko für die Steuerzahler in der Eurozone in dieser Variante, weil für die Rückzahlung der ESM-Kredite nur gerettete Banken haften würden. "Die Idee, deutsches oder österreichisches Steuergeld für eine marode spanische Bank herzugeben, müsste ein Politiker erst verkaufen", meint ein deutscher Analyst.

- Spanien schlüpft unter den Rettungsschirm ist die von Deutschland bevorzugte Variante. Die Commerzbank schätzte im März, dass Spanien 250 Milliarden Euro bräuchte, um bis Ende 2014 durchfinanziert zu sein. Das wäre machbar: Die Ausleihkapazität des ESM liegt bei einer halben Billion Euro. Der Vorteil wäre, dass Spanien für eine Zeit Ruhe von den Märkten hätte. Das Land ziert sich noch, "weil es um seine ökonomische und politische Selbstständigkeit fürchtet", sagt der Madrider Ökonom Juan Dolado. Hinzu kommen auch greifbarere Gründe: "Selbst wenn die Gelder des Rettungsschirmes für Spanien reichen, würde sofort eine Debatte darüber einsetzen, ob die Mittel für Italien ausreichen", meint der Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank. Zudem würde ein Rettungsschirm-Kredit die derzeit moderate Schuldenlast des Staates erhöhen.

- Spanien harrt weiter und hofft auf Beruhigung, wenn bei den Parlamentswahlen am 17. Juni in Griechenland gemäßigte Parteien gewinnen. "Ausharren ist selbstmörderisch", sagt die Brüsseler Forscherin Alcidi: "Spanien kann nicht auf Zeit spielen. Die Sanierung des Bankensektors wurde schon zu lange aufgeschoben." Ein deutscher Banker betont zudem, dass Griechenlands Rolle nicht überschätzt werden dürfe: "Die Investoren haben ihre Griechenland-Kredite längst abgeschrieben. Auf die griechischen Wahlen zu hoffen, ist vergeudete Energie." (András Szigetvari, DER STANDARD, 6.6.2012)