Wien - Am Mittwoch ist es so weit. Nach monatelanger Vorbereitung wird Herbert Nitsch um 12 Uhr griechischer Zeit vor Santorin abtauchen, um mit einem Atemzug in 244 Meter Tiefe und wieder zurück an die Oberfläche zu gleiten. Der eigene Weltrekord wäre damit um 30 Meter überboten. derStandard.at erwischte ihn am Dienstag am Telefon, der 42-jährige Wiener macht einen entspannten Eindruck. Die Fragen stellte Philip Bauer.

derStandard.at: Sie haben Ihre Pläne kurzfristig geändert und am Montag einen Tauchgang auf 215 Meter abgesagt. Warum?

Nitsch: Ursprünglich wollten wir den Weltrekord auf jeden Fall brechen, falls der zweite Tauchgang nicht oder nicht so tief funktionieren sollte. Es gab allerdings Unklarheiten mit Wetter und Technik. Und letztendlich natürlich die Frage, ob ich das Risiko unbedingt zweimal eingehen will.

derStandard.at: Am Mittwoch wollen Sie auf 244 Meter abtauchen. Die Wettervorhersage ist ausgezeichnet. Was könnte dieses Vorhaben noch verhindern?

Nitsch: Es ist Wind angesagt, das ist eigentlich entscheidend. Derzeit ist es aber weniger schlimm als befürchtet. Im Moment geht es noch. Sollte sich die Situation verschlechtern, werden wir entweder verschieben oder die Location wechseln. Letzteres würde natürlich auch zu einer Verzögerung führen.

derStandard.at: Kann man so einfach die Location wechseln?

Nitsch: Es gibt zwei Meilen weiter eine windgeschützte Stelle, wir müssen allerdings die Verankerung der Boje quasi mitnehmen. Das ist auf 300 Meter nicht ganz so einfach wie normalerweise.

derStandard.at: Warum eigentlich Santorin? Was macht diesen Ort für Ihr Vorhaben perfekt?

Nitsch: Wir haben hier in unmittelbarer Inselnähe sehr tiefes Wasser. Solche Bedingungen sind nicht leicht zu finden. Wind und Wellen würden unser Vorhaben sonst unmöglich machen, weil der Schlitten extrem rauf- und runtergeschüttelt wird.

derStandard.at: In Ihrem Blog ist viel von Ihrem Team die Rede. Ist Apnoe-Tauchen in der Vorbereitung ein Teamsport?

Nitsch: Ja, auf alle Fälle. Man ist zwar alleine unten, aber doch abhängig von den Sicherheitsvorkehrungen. Es muss alles gut abgesprochen und geübt sein. Speziell im Bereich "No Limit" braucht man ein kompetentes Team.

derStandard.at: Wo stellt sich bei der Sicherheitsfrage die größte Herausforderung?

Nitsch: Der Schlitten ist das Herzstück - wenn der versagt, wird es kritisch. Da gibt es verschiedene Back-up-Varianten. Bei Versagen kann das Seil trotzdem noch raufgezogen werden. Unsere Motoren werden zudem unabhängig betrieben.

derStandard.at: Sie müssen Vertrauen in Team, Technik und die eigene Stärke haben. Haben Sie heute in jeden dieser Bereiche 100-prozentiges Vertrauen?

Nitsch: 100-prozentig ist gar nichts, auch nicht die Sicherheit. Das Vertrauen muss so groß sein, dass sich das Risiko in einem Bereich bewegt, in dem ich und das Team es akzeptieren. Wir versuchen, jedes mögliche Szenario durchzudenken und eine Lösung zu finden, bevor es passiert. Es darf keine Hektik aufkommen, jeder muss wissen, was zu tun ist.

derStandard.at: Manche Menschen halten Sie wohl für ein bisschen verrückt. Wie kann man Zweiflern die Faszination Apnoe-Tauchen näherbringen?

Nitsch: Zum einen sind es bestimmt die Rekorde und die Herausforderung, die Abläufe im Körper perfekt aufeinander abzustimmen. Wie weit kann ich meinen Körper unter Kontrolle bringen? Zum anderen ist es der Spaß am Freitauchen. Fast ohne Ausrüstung die Unterwasserwelt zu erkunden, ist ein großartiges Erlebnis.

derStandard.at: Wie sehen die letzten 24 Stunden vor dem Gang in die Tiefe aus?

Nitsch: Wir machen noch ein paar letzte Tests an der Ausrüstung, diverse Sicherheitschecks. Ich werde noch ein wenig Trockentraining machen, damit ich auch so lange die Luft anhalten kann.

derStandard.at: 244 Meter. Hätten Sie in Ihrer Anfangszeit gedacht, dass so eine Tiefe irgendwie möglich ist?

Nitsch: Nein. Da wäre ich froh gewesen, wenn ich 60 Meter erreicht hätte (lacht). (Philip Bauer, derStandard.at, 5.6.2012)