Wachsam, geduldig, gesprächsbereit sein - was der frühere französische Außenminister Hubert Védrine im STANDARD-Interview für den Umgang mit der arabischen Welt empfiehlt, das passt perfekt auch für den Umgang der Partner innerhalb von Eurozone und EU. Will die Gemeinschaft ihre existenzielle Krise überwinden, wird sie gut beraten sein, jetzt jeder Spaltungs- oder Absprungstendenz zu widerstehen. Es heißt cool bleiben, auf Rechthaberei verzichten, offen sein für Ideen der anderen.

Simple Schuldzuweisungen, wie sie Védrines Exkollege Joschka Fischer vornimmt, helfen sicher nicht weiter. Er macht seine deutsche Kanzlerin verantwortlich dafür, dass "das europäische Haus in Flammen steht". Sie "löscht lieber weiter mit Kerosin statt mit Wasser", schreibt er zu Angela Merkels Spardoktrin. Nun mag Merkel beim Sparen überzogen haben. In Fischers rot-grüne Amtszeit hingegen fällt der leichtfertige Bruch des Eurostabilitätspakts. Die Krise ist auch Folge der Überdehnung der Union.

Sei's drum. Jetzt müssen Berlin und Paris die Währungsunion retten, müssen die Partner einbinden. Das geht nur Schritt für Schritt, im Ausgleich, in einer kombinierten grenzüberschreitenden Operation von Sparen und Investieren. Es sieht so aus, als sei die deutsche Kanzlerin bereit zur vertieften Integration. Auch ihr müssen die Kritiker zuhören: Ohne saubere EU-gesetzliche Grundlagen, ohne die Mehrheit der Deutschen wird es nicht gehen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 5.6.2012)