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Karpaty-Anhänger auf Auswärtsfahrt in Kiew.

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Um Ausschreitungen zu verhindern, wird die Polizei im ukrainischen Lemberg speziell geschult.

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Lemberg - Oleg verzieht keine Miene, als er das sagt. "Wir schlagen nur mit Fäusten zu." Oder: "Wir haben Krieg mit Fans von FK Lwiw, Odessa und Anhängern von Dinamo Kiew. Das ist Teil des Spiels, es geht um Adrenalin. Es ist unser Weg, unsere Frustration loszuwerden."

Der Ukrainer sitzt in einem Pub in der Lemberger Innenstadt und könnte auch andere Geschichten von seinem Leben erzählen. Vom kürzlich abgeschlossenen Architekturstudium, seinem Job in einem Planungsbüro im Euro-Austragungsort. Gegen den Brand, den seine Leidenschaft für den ukrainischen Erstligaklub Karpaty Lwiw in ihm verursacht, ist alles andere aber nur eine lächerliche Rauchschwade.

"Mein Großvater hat mich ins Stadion mitgenommen, da war ich sechs Jahre alt. Und ich wusste sofort, welche Fußball-Klubs unsere Feinde sind", sagt Oleg, der seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Auseinandersetzungen mit der Polizei und mit Anhängern anderer Vereine gebe es immer wieder. Aber Oleg, Mitglied des nationalistischen Fanklubs "Ultras Banderstadt", ein Hooligan? Das wäre zu viel der Ehre, meint er. "In Polen ist das Thema größer. Die haben schlimmere Hooligans in der vierten Liga als wir in der ersten."

Hooligans mit Hitlergruß

Vor der Euro in Polen und der Ukraine ist die Gefahr von Fan-Ausschreitungen und Randalen so groß wie noch vor keiner EM-Endrunde. Die Angst nährt eine jüngst ausgestrahlte BBC-Dokumentation mit schockierenden Bildern. Hunderte ukrainische Fans hoben darin in einem ukrainischen Stadion gleichzeitig die Hand zum Hitlergruß, wenig später wurden asiatische Besucher krankenhausreif geprügelt. Die Familien der farbigen englischen Nationalteamspieler Theo Walcott und Alex Oxlade-Chamberlain verzichten aufgrund der Rassismus-Vorfälle auf eine Reise in die Ukraine.

Auf polnischen Internetseiten wimmelt es von Gewaltandrohungen, Hooligans freuen sich auf die "Jagd auf Deutsche". Die spielen zwar in der Ukraine, von der polnischen Grenzstadt Przemysl nach Lemberg, wo die erste Partie am 9. Juni gegen Portugal steigt, sind es aber keine 100 Kilometer.

Zudem gibt es die Befürchtung, dass deutsche Rowdys die Provokation dankend annehmen. "Am besten wäre es, die Fans blieben zu Hause", sagte der Fanforscher und DFB-Berater Gunter A. Pilz dem Sportinformationsdienst sid. "Bei diesem Turnier wird es ganz sicher Probleme geben." Allein in Polen sind 11.000 Polizisten und 1000 Militärs im Einsatz, um die vier EM-Austragungsorte zu sichern.

Nationalismus ist auch den Anhängern des ukrainischen Klubs Karpaty Lwiw nicht fremd. Vor zwei Jahren marschierten Hooligans in Kiew auf und forderten ein Verbot für ausländische Profis in der ukrainischen Liga. Und als im September 2010 Borussia Dortmund im Rahmen der Europa League zu Gast in Lemberg war, krachte es zwischen den Fangruppen ordentlich.

Bei der Euro, glaubt Oleg, wird es aber ruhiger zugehen. "Das Nationalteam kommt für die meisten ukrainischen Anhänger weit nach ihrem Klub. Da steckt weniger Leidenschaft dahinter." Außerdem stehen Problemfans auf der "schwarzen Liste". Mehr als 1200 ukrainische Hooligans sind registriert, ihnen wird der Eintritt zu allen Euro-Veranstaltungen verwehrt. Mehr als 100 Hooligans von Karpaty Lwiw finden sich auf der Liste. "Die Stadtregierung hat uns aber versprochen, dieses Problem zu lösen", sagt Oleg. (David Krutzler, DER STANDARD, 5.6.2012)