Kath.net appelliere an Autoritäten und greife Dinge an, die nach Demokratisierung ausschauen: So umreißt der Linzer Kirchenhistoriker Helmut Wagner die Arbeit von Roland Noés erzkatholischer Nachrichtenseite. In dem Band "Liebesbriefe an die Kirche", der anlässlich des zehnjährigen Bestehens von kath.net erschien, bechreibt der Rom-Korrespondent Armin Schwibach das Ziel der gemeinsamen Arbeit. Es gelte, der Abkoppelung der Ortskirchen von Rom entgegenzuwirken und die Zentralität Roms zu betonen, schreibt er. Es solle nicht mehr möglich sein zu sagen: "Das wusste ich nicht", so dass Rom "das kirchliche Leben im Jetzt und Hier in all seiner Dimension bestimmt". Chefredakteur Noé räumt im Gespräch mit derStandard.at ein, dass man gewisse Dinge bei kath.net durchaus als Kampagnenjournalismus verstehen könne. "Das machen viele Zeitungen in Österreich, ich denke an die 'Kronen Zeitung', da werden ja auch tagelang gewisse Themen gespielt. Für uns sind diese Themen wichtig, die haben wir durchaus gespielt in dem Sinn, dass wir möglichst viel berichtet haben."

Philip Saß ist ein genauer Beobachter der Seite, er betreibt den kath.net-Watchblog "Episodenfisch". Die Feindbilder würden oft in Schüben bedient, sagt er, "mal eine Woche lang gegen Muslime, dann sind Homosexuelle dran, bis man sich mal wieder der Pfarrerinitiative widmet".

Auch Margit Hauft hat ihre Erfahrungen mit der Seite gemacht. Die ORF-Stiftungsrätin und ehemalige Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich sagt: "Es ist eine Art Journalismus, die diesen Namen nicht verdient. Es ist sehr menschenverachtend, wie sie agieren. Man hat den Anschein, es geht ihnen nur um das Anschütten von Leuten."

Foto: kath.net

Hauft erzählt, dass am Ende von kath-net-Artikel über sie ihre Mail-Adresse und die des Bischofs angeführt gewesen seien. "Es geht immer darum, diese Leute in einem möglichst hohen Maß zu belästigen", sagt Hauft. "Ich habe es zigmal erlebt, dass Mails an mich ergangen sind mit gehässigem Inhalt, natürlich ohne ernst zu nehmende Unterschrift, meist gezeichnet mit 'ein guter Christ' oder 'ein römisch-katholischer Christ'." In einem Mail an Maximilian Aichern sei einmal zu lesen gewesen, der Bischof solle "endlich den Bischofsstab zu dem benützen, wozu er da ist, nämlich mich zu züchtigen".

 

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Auch Ferdinand Kaineder, langjähriger Leiter des Kommunikationsbüros der Diözese Linz, war immer wieder mit Angriffen konfrontiert, nicht zuletzt aufgrund einer Multimedia-CD, die Homosexualität und Verhütung thematisiert, bis er schließlich 2009 entlassen wurde. Kirchenzeitungs-Chefredakteur Matthäus Fellinger spricht von einer "Propaganda, die sicher Einfluss gehabt hat".

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Der Kölner Theologe und Gymnasiallehrer David Berger zählt nach seiner Abrechnung mit konservativen Kirchenkreisen und ihrem Umgang mit Homosexualität ebenfalls zu den Feindbildern von kath.net. Er wirft der Seite vor: "Dass ich meine kirchliche Lehrerlaubnis verloren habe, das waren vor allem die diffamierenden Beiträge von kath.net, die dadurch provozierten Leserkommentare des kath.net-Fanklubs und dauernde Anfragen der Redaktion bei der Erzdiözese, die den Kardinal hier in Köln entsprechend unter Druck gesetzt haben."

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Für Wirbel sorgte die Seite auch, als sie veröffentlichte, dass der oberösterreichische Pfarrer Josef Friedl mit einer Freundin zusammenlebe. Noé sagt, sie würden auch von anderen Pfarrern wissen, die Freundinnen haben, "die haben das aber nicht öffentlich gesagt, darum berichten wir nicht darüber". Den Bischöfen melde man diese Fälle aber manchmal.

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Als gröbste Grenzüberschreitung sieht der Blogger Saß den Umgang mit den Beiträgen des deutschen Rechtsextremisten Marcus B. "Nachdem die Vergangenheit des Kommentators bekannt geworden war, schrieb kath.net einen sehr halbherzigen Artikel und distanzierte sich ebenso halbherzig von rechtsradikalen Ansichten. An den Texten von B. fand man aber nichts Schlimmes. In der Tat unterschieden sich die Artikel nicht signifikant von einigen anderen kath.net-Texten und -Kommentaren." Noé sagt, dass die von B. angebotenen Gastkommentare "inhaltlich durchaus im Bereich des Möglichen" gewesen seien. B. habe laut Auskunft von verschiedenen Stellen, die man kontaktiert habe, die letzten 20 Jahre nicht in einschlägigen rechten Zeitschriften publiziert. "Wir haben aber trotzdem entschieden, die Beiträge vorläufig nicht mehr freizuschalten." Und Noé erklärt: "Mit einer rechtsextremen und grundsätzlich extremistischen Szene möchte man unabhängig von diesem Fall aber generell auf jeden Fall nichts zu tun haben."

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Seit einigen Jahren kann auf kath.net unter den Artikeln auch gepostet werden. Saß sagt, neben einigen vernünftigen Lesermeinungen würden die wildesten Beiträge veröffentlicht, die der kath.net-Redaktionsmeinung entsprächen. "Das ist durchaus praktisch, denn so können sehr problematische Meinungen publiziert und Kritik mit 'Das waren nicht wir, das waren unsere Leser' abgewehrt werden." Noé, der selbst unter dem Namen "Gandalf" im Kommentarfeld postet, sagt: "Einerseits möchten wir die Postings, andererseits gibt es, das muss man ehrlicherweise sagen, eine beträchtliche Anzahl von Spinnern im Netz." Er habe selbst schon mehrmals Poster angezeigt. Die Löschquote betrage normalerweise etwa zehn Prozent. "Gelöscht werden extreme Off-Topic-Sachen oder auch Beschimpfungen", sagt er über die mindestens 500 Leserkommentare, die an normalen Tagen auf kath.net geschrieben werden. "Leider Gottes" schlüpfe immer wieder etwas durch, auch weil kath.net personalmäßig am Limit sei.

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