Frankfurt - Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat deutliche Fortschritte mit einem neuen Medikament gegen Lungenkrebs erzielt. Der Wirkstoff Afatinib konnte das Fortschreiten der Krankheit in einer Studie erheblich hinauszögern, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. "Die Ergebnisse der LUX-Lung-3-Studie sind sehr ermutigend", erklärte der Medizinchef des Konzerns, Klaus Dugi.

Der Arzneimittelhersteller arbeitet nun daran, das Medikament schnell auf den Markt zu bringen. Zulassungsanträge für das Präparat in den USA und in Europa plant das Familienunternehmen aus Ingelheim bei Mainz noch in diesem Jahr. Lungenkrebs ist nach wie vor die weltweit häufigste und tödlichste Krebsart. Jedes Jahr erkranken 1,6 Millionen Menschen, etwa 1,4 Millionen sterben jährlich daran.

Am weitesten entwickelt

Afatinib ist der am weitesten entwickelte neue Krebs-Wirkstoff von Boehringer Ingelheim. An der zulassungsrelevanten Studie der Phase III nahmen 345 Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs teil, die ein häufig vorkommendes Genprofil (EGFR-Mutation) aufwiesen. Sie erhielten im Rahmen einer Erstbehandlung entweder die Boehringer-Substanz oder eine Chemotherapie mit Alimta von Eli Lilly und dem Standard-Produkt Cisplatin. Im Ergebnis verzögerte das Boehringer-Medikament das Fortschreiten der Krankheit um 11,1 Monate.

Der Chemotherapie gelang dies dagegen nur 6,9 Monate. Damit schaffte das Medikament das vorrangige Studienziel. Der Konzern präsentierte diese Daten auf dem derzeit laufenden, weltgrößten Krebsmedizinkongress ASCO in Chicago in den USA. Auch andere deutsche Unternehmen, darunter Bayer, präsentieren dort der Fachwelt ihre neuen Krebsmedikamente.

Wer davon profitiert

Boehringer Ingelheim zufolge profitierten in der Studie Patienten mit zwei häufig vorkommenden Genprofilen (del19 und L858R) besonders von dem Medikament. Bei ihnen konnte den Daten zufolge Afatinib das Fortschreiten der Krankheit sogar um 13,6 Monate hinauszögern. Der Konzern arbeitet daher parallel an Tests, um die Patientengruppe mit dem Genprofil zu bestimmen, bei denen das Medikament am wirksamsten ist. Afatinib könnte somit noch gezielter eingesetzt werden und vom Trend zur personalisierten Medizin profitieren.

Der Einsatz von Medikamenten in speziellen Patientengruppen ist in der Krebsforschung derzeit auf dem Vormarsch. Möglich wurden solche zielgerichteten Behandlungen durch die Fortschritte in der Molekularbiologie und der Genforschung. Neben Tumorkrankungen gehören auch Virus- und Autoimmunerkrankungen zu den Therapiefeldern, wo dieser neue Ansatz Experten zufolge immer mehr Einzug hält.

Boehringer Ingelheim hat inzwischen zwei weitere Studien mit Afatinib zur Behandlung von Lungenkrebs aufgelegt, in denen das Präparat direkt mit anderen gezielt wirkenden Therapien verglichen wird. Eine Studie (LUX-Lung 7) der Phase II vergleicht das Mittel als Ersttherapie mit dem Astra-Zeneca-Präparat Iressa, eine zweite der Phase III (LUX-Lung 8)vergleicht die Substanz als Zweittherapie mit dem Roche -Präparat Tarceva. Die Patientenaufnahme für diese Studien läuft momentan. Neue Medikamente müssen vor einem Zulassungsantrag drei klinische Testphasen bestehen. (APA/Reuters)