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Die Hexen unter uns wissen: Vollmond ist der Zeitpunkt für Liebesrituale.

Foto: APA/Pantzartzi

Falls sich jemand über seine Ruhelosigkeit wundert: Heute ist Vollmond. Die Hexen unter uns wissen: Das ist der Zeitpunkt für Liebesrituale. Man hat ja auch Zeit, weil geschlafen wird heute Nacht eh kaum.

In der griechischen Mythologie ist die Göttin des Mondes Selene. Die verliebte sich bei ihrer Fahrt durch den nächtlichen Himmel in den König Endymion, worauf sie ihn von Zeus in einen ewigen Schlaf verzaubern ließ, damit er nie sterben muss. Sehr nett, was? Er hätte es vielleicht gerne lustiger gehabt, so im Leben. Interessant ist, dass aus der Beziehung mit ihm 50 (!) Töchter hervorgingen. Wie genau das vonstattenging, ist mir schleierhaft, vielleicht gab's mysteriöse Flugspermien, die hie und da dem Armen entwichen. Wobei das vielleicht sogar ein Wunschberufsbild sein könnte, ewig ausschließlich Schlaf und Sex zu kriegen.

Nach Selene wurde auch Selen benannt, das chemische Element, das neben seinem Vorkommen als giftiges Halbmetall in der Natur auch ein essenzielles Spurenelement im menschlichen Körper ist. Wir nehmen es in entsprechend niedriger Dosierung mit der Nahrung auf. Selen ist also lebenserhaltend und tödlich zugleich. Die letzten drei Sätze habe ich abgeschrieben, falls wer meine Google-Quellen stalkt. Die Ganzheitsmediziner empfehlen Selen Stresspatienten zur Eindämmung von freien Radikalen. Es hilft also gegen Unruhe. Wobei wir wieder beim Vollmond wären.

Stress

Der stresst mich tatsächlich. Ich würde den ja nicht bemerken. Aber andere in meiner unmittelbaren Umgebung reagieren auf ihn. Bei Vollmond japst der Hund besonders laut im Schlaf. Die Kinder schlafen nur im 20-Minuten-Takt. Neue Windel, Hunger, Durst, Schmusen, was man halt sonst so fordern kann, statt der Mutter eine Auszeit zu gönnen. Weil die ist ja ein hormoneller Roboter, die gibt das immer gerne.

Und der Lebensgefährte, der arme, ist überhaupt sehr empfindlich, der muss den Vollmondstress ruhelos in den Nachtbars abbauen. Wahrscheinlich, um sich nicht die Blöße zu geben und wie ein Wolf heulend über die Dächer Wiens zu steigen. Dann lieber Whisky Sour. Na ja, einmal in der Zeit darf das sein, schon in Ordnung. Ob die Göttin Selene mit ihrer Zauberei nicht auch etwas kurzsichtig war? Immerhin war sie mit 50 Kindern komplett alleinerziehend, egal ob Vollmond oder nicht.

Meine Zeit kommt dann sicher bei Neumond. Da darf man dann offiziell introvertiert und depressiv sein oder wenigstens schlafbedürftig. Da leg ich mich ins Bett und lass die anderen für mich arbeiten, also den Lebensgefährten, die Kinder und den Hund. Guter Plan. Realistischer Plan. NOT. Werde jetzt Selen kaufen gehen. (Heidi List, derStandard.at, 4.6.2012)