Die Koalition hat mal wieder Schwierigkeiten, Posten auszupackeln. Bei Nationalbank, Volksbanken und ASFINAG gibt's Vorstandsposten zu besetzen, und das Ringelspiel, wer welchen kriegt, hat sich verhakt. Wurscht könnte uns das sein, weil es eh keine Rolle spielt, welcher Rote oder Schwarze dort landet. Nur ist scheinbar jetzt auch die Nachbesetzung eines Verfassungsrichters in die Verhandlungsmasse einbezogen worden, und da wird es heikel, da geht es an die Grundfesten der Demokratie.

Packeln im Scheinwerferlicht

Lobenswerterweise hat DER STANDARD darüber berichtet. Jetzt die Scheinwerfer auf den Vorgang zu richten könnte irgendwann mal einen Untersuchungsausschuss sparen, der im Nachhinein zu Tage fördern muss, was viele einfach nicht sehen wollten. Ich sage jetzt einmal optimistisch: In Österreich findet ein Kulturwandel statt und die Medien treiben ihn an. Früher hat man nach einer Packelei berichtet (wenn sie aufflog), im Fall von Niko Pelinka hat sich die ORF-Redaktion schon während der Besetzung gewehrt. Und in diesen Fällen wird schon davor berichtet. Gut so. Das sollte Normalfall werden.

Zu sehen gibt es eine Menge, wenn man nur will. Auch jetzt live, in diesem Moment: Heute wird der Posten eines Rechnungshof-Direktors in einem Bundesland öffentlich ausgepackelt. Interesse, sich das anzusehen?

Der beste Kandidat

Vor rund sechs Monaten hat mich jemand gefragt, ob ich schon gehört hätte, wer der nächste Direktor des Burgenländischen Landes-Rechnungshofes (schreibt man so) werde. "Der wird erst im Sommer gewählt", sagte ich. "Andreas Mihalits", antwortete mein Gesprächspartner.

Mihalits war jahrelang Mitarbeiter im Büro von Landeshauptmann Hans Niessl und leitete danach das Beteiligungsmanagement des Landes. Er hat also sowohl ein Naheverhältnis zum Regierungschef als auch zu einem wesentlichen Bereich, den der Landes-Rechnungshof zu kontrollieren haben wird: Unternehmensbeteiligungen. Im Oktober 2011, kurz vor diesem Gespräch, ging Mihalits an den Bundesrechnungshof.

"Er macht jetzt ein paar Monate Kurse als Prüfer, damit er bis zum Sommer zumindest irgendetwas vorzuweisen hat", sagte mein Gesprächspartner.

"Ob sich die ÖVP darauf einlässt?", zweifelte ich.

"Die ÖVP erzählt ihren Leuten schon, dass sie sich nicht bewerben müssen, weil der Job den Roten gehört. Die bekommen eben andere Jobs."

Nun, die Position wurde offiziell ausgeschrieben, es gab sechs BewerberInnen. Ein Personalberatungsunternehmen - ausgewählt vom SPÖ-Landtagspräsidenten - wurde beauftragt, ein Assessment Center durchzuführen, um den Landtag beraten zu können. Vergangenen Mittwoch wurden dem Kontrollausschuss die Ergebnisse präsentiert. Der beste Kandidat bei diesem Test: Andreas Mihalits. Überraschung!

Allwissende Abgeordnete

Klar, im Nachhinein könnte jetzt jeder sagen, dass er es vorher wusste. Also habe ich vorgebaut: In den letzten Monaten habe ich bei mehreren Gelegenheiten im Landtag auf diese Packelei hingewiesen und Andreas Mihalits beim Namen genannt. Es steht in den Protokollen, schwarz auf weiß. Und dabei wusste ich nicht mal, dass er sich tatsächlich beworben hat, die Bewerberliste war bis Mittwoch geheim.

Aber auch die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP haben wohl hellseherische Fähigkeiten. Sie haben dem Personalberater bei seiner Präsentation nicht eine einzige Frage zu den KandidatInnen gestellt. Wirklich, keine einzige. Sie haben nicht einmal so getan, als würden sie irgendetwas wissen wollen. Als Mitglieder des Kontrollausschusses bekamen wir in dieser Sitzung das erste Mal die Namen der BewerberInnen, ihre Bewerbungen und ihre Lebensläufe zu Gesicht. SPÖ und ÖVP haben die Unterlagen nicht einmal angesehen.

Und heute, am Montag, sollen dieselben Abgeordneten ein Hearing der KandidatInnen abhalten und dem Landtag einen Bericht zuleiten, in dem die Wahl von Andreas Mihalits empfohlen wird. Wahrscheinlich ist dieser Bericht schon geschrieben. Das Hearing ist eine Farce.

Das Ende jeder Kontrolle

Der Direktor des Landes-Rechnungshofes ist nicht irgendeine Personalpackelei, wie wir sie ständig haben. Das ist nicht wie beim Landesenergieversorger BEWAG, wo wir die Namen der neuen Proporzdirektoren schon vor der Ausschreibung kannten. Und auch nicht wie bei der Fachhochschule, deren Leitung nächstes Jahr erst ausgeschrieben wird und wo wir auch schon hören, wer den Job bekommt. (Den "Auswahl"-Prozess begleitet übrigens dasselbe Personalberatungsunternehmen wie beim Rechnungshof-Direktor.)

Der Landes-Rechnungshof ist demokratiepolitisch um ein Vielfaches wichtiger. Er ist das zentrale Kontrollinstrument der Opposition, seine Berichte haben in den letzten Jahren viele Probleme in der burgenländischen Politik und Verwaltung aufgedeckt. Ohne Rechnungshof wird die Opposition gefesselt, geknebelt und geblendet.

Schwerwiegende Vorwürfe und Selbstkontrolle

Die Sache ist aber noch brisanter: Dieselbe Quelle, die mir vor sechs Monaten den Namen des neuen Direktors genannt hat, hat auch etwas anderes berichtet: Im von Mihalits geführten Beteiligungsmanagement des Landes sollen jahrelang Überstunden falsch und zu Lasten der öffentlichen Hand abgerechnet worden sein. Mihalits persönlich soll über 840 Überstunden, also mehrere Monatsgehälter, nicht korrekt abgerechnet haben, lautet der Vorwurf.

Diesen Vorwurf mache ich hier nur formal öffentlich: Im Landhaus und den Lokalredaktionen wird schon seit Monaten darüber getuschelt. Dutzende Menschen kennen diesen Vorwurf, ich wurde schon mehrfach darauf angesprochen. Und dieser Vorwurf ist auszuräumen, mit dieser Hypothek kann niemand einen solchen Job antreten.

Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung - und das ist mehr als ein Stehsatz. Ich weiß nicht, ob die Vorwürfe stimmen. Ich weiß nur, dass meine Quelle mit der ersten Information recht hatte und damit vertrauenswürdig ist. Für genau solche Fälle steht mir als Oppositionsabgeordnetem der Landes-Rechnungshof zur Verfügung: Damit ich eine Kontrolle einleiten kann, wenn jemand einen Missstand meldet.

Das werde ich heute tun: Ich beauftrage den Landes-Rechnungshof mit der Überprüfung der Abrechnungen in der genannten Abteilung. Wenn der derzeitige Direktor Franz Katzmann in den ihm verbleibenden Wochen damit nicht fertig wird, was dann? Prüft sich dann der neue Direktor selbst? Das sollte undenkbar sein, ist es aber nicht.

Zehn Jahre Stille

Die Amtsperiode des Direktors dauert zehn Jahre. SPÖ und ÖVP sichern sich, wenn diese Personalie durchgeht, für ein ganzes Jahrzehnt eine handzahme, nette Pseudo-Kontrolle ihrer Regierungstätigkeit. Und damit natürlich entsprechend gemütliche Berichterstattung.

Vor den burgenländischen Medien muss sich die Landesregierung bei der Bestellung leider nicht fürchten: Die Wochenzeitungen machen heute Redaktionsschluss, mehr als Zusammenfassungen der Causa können sie nicht bringen. Die "Krone" bringt eh nur Zusammenfassungen, "Kurier" und DER STANDARD haben nicht genug Reichweite, um Druck zu erzeugen. Und der Landes-ORF? Ich kann leider nicht berichten, was mir dazu "off-records" erzählt wurde, aber dafür etwas anderes: Ein Journalisten-Kollege hat sich unlängst umgehört, ob ein Job als Kameramann frei wird. Ihm wurde empfohlen, sich ein VP-Parteibuch zuzulegen. Den Schwarzen stünde nämlich der nächste Job im ORF Burgenland zu. So viel dazu, warum dieser Online-Kommentar notwendig ist.

Widerstand

Natürlich kann die Opposition sich das nicht gefallen lassen. Obmann des Kontrollausschusses ist der Freiheitliche Johann Tschürtz, der Stellvertreter bin ich. Wir lehnen beide den Auswahlprozess als Ganzes ab. Es geht nicht darum, einen Kandidaten abzuschießen und jemand anderen aus diesem Verfahren zu nehmen. (Den zweiten Platz beim Assessment Center belegt eine Frau, der vom Personalberatungsunternehmen de facto gleichwertige Qualifikation bescheinigt wird, nur ein winziges Detail reiht sie hinter Mihalits. Der Abstand zum Dritten soll dafür deutlich sein. Es wäre natürlich aufgelegt, dass ich als Grüner die Bevorzugung der Frau bei gleicher Qualifikation fordere. Nur: Die Dame ist ebenso eindeutig der SPÖ zuzurechnen. Sie ist der Notfallplan.)

Wir brauchen unabhängige Kandidaten, die keiner Partei - auch nicht der Opposition - zu Dank verpflichtet sind. Da möglichen KandidatInnen empfohlen wurde, sich gar nicht erst zu bewerben, ist der Prozess abzubrechen und gänzlich neu zu starten. Mit offenem Ausgang neu zu starten, ehrlich und fair. Es ist unwahrscheinlich, dass das passiert. Aber es nicht zu fordern, würde bedeuten, aufzugeben und irgendwie auch mitzumachen.

Die Oppositionsparteien werden alles tun, um den jetzt laufenden Bestellungsprozess abzubrechen. Weder Johann Tschürtz noch ich werden heute Morgen den Kontrollausschuss eröffnen. Ohne Eröffnung durch die Obleute ist eine Ausschuss-Sitzung verfassungswidrig.

Der Landtagspräsident hat angekündigt, das Hearing dennoch stattfinden zu lassen. Es soll den ganzen Tag dauern. Die Opposition wird nicht daran teilnehmen, aber ich werde hier in den Kommentaren immer wieder Updates posten und auf Twitter tickern. Vielleicht geh ich ja während des Hearings des besten Kandidaten mit dem Notebook rein und streame es. Damit man einfach mal zuschauen kann, wie so eine Packelei live abläuft ... (Michel Reimon, derStandard.at, 4.6.2012)